Dresdens CDU kippelt

Kommunalwahlen in Sachsen: In den meisten Gemeinden hält sich die CDU. Doch in Dresden droht OB im zweiten Wahlgang eine Niederlage

aus Dresden MICHAEL BARTSCH

Wenn Dresdens originellster Drehorgelspieler Schalk, ein erklärter Konservativer und Biedenkopf-Fan, zur Wahlparty des OB-Herausforderers Ingolf Roßberg überläuft, mag das einem Barometersturz gleichkommen. Schon an der Goldenen Pforte des Dresdner Rathauses war es am Sonntagabend wie nach einem Meisterschaftsgewinn auf dem Fußballplatz zugegangen. Mit ohrenbetäubendem Lärm empfingen Roßberg-Anhänger ihren Helden.

In allen Zweckumfragen der Lokalpresse noch klar hinter Amtsinhaber Herbert Wagner von der CDU, konnte Roßberg im ersten Wahlgang kontern und verfehlte die absolute Mehrheit mit 47 Prozent der Stimmen nur knapp. Am 24. Juni wird es deshalb in der sächsischen Landeshauptstadt eine Neuwahl geben, bei der die einfache Mehrheit genügt. Roßbergs vorläufiger Sieg ist deshalb umso bemerkenswerter, weil der FDP-Herausforderer nicht von einem Parteienbündnis aufgestellt wurde. Erst im März konnte ihn die unabhängige Bürgerinitiative „OB für Dresden“ gewinnen und musste einen Wahlkampf mit denkbar knappen Mitteln führen. Unterstützung kam sehr schnell von den Bündnisgrünen und der SPD, zögernd von der FDP und zuletzt von der PDS.

Der Verkehrsingenieur Ingolf Roßberg wurde mit 29 Jahren 1990 zum Stadtentwicklungsdezernenten in Dresden gewählt, war dann erster Beigeordneter im benachbarten Radebeul und seit dem Vorjahr als erster ostdeutscher Stadtentwicklungsdezernent in Wuppertal.

Amtsinhaber Herbert Wagner wich mit hochrotem Kopf der Frage aus, ob ihm das Wahlkampffinale mit Kurt Biedenkopf eher geschadet habe. Der hatte kurz vor der Wahl vom unzuverlässigen, inkompetenten „Schrott aus Wuppertal“ gesprochen. Dresdens CDU-Chef Dieter Reinfried machte daraufhin den Regierungschef unmissverständlich für das schlechte Ergebnis seiner Partei mitverantwortlich. Bis zur Stunde wird nun spekuliert, ob der frühere SED-Bürgermeister Wolfgang Berghofer zum zweiten Wahlgang doch noch antritt. Nach der sächsischen Gemeindeordnung sind Neubewerbungen dafür möglich. Täte er es, würde das Chamäleon Berghofer eine weiteres Mal seine Farbe wechseln. Noch am 11. Mai hatte er in Dresden erklärt: „Ich denke, meine Absage ist definitiv.“

Im Landesmaßstab bleibt die CDU auch auf kommunaler Ebene die führende Partei, allerdings weniger souverän als bisher. In mehreren großen Städten, darunter Zwickau, Radebeul und Hoyerswerda, sind zweite Wahlgänge erforderlich. Besonders pikant ist die Situation in Meißen, wo es selbst der Einsatz des Ministerpräsidenten und sechs seiner Minister nicht schafften, den neuen CDU-Kandidaten Wildenauer gegen den alten CDU-Amtsinhaber Pohlack durchzusetzen. Die Union stellt 15 der 19 Landräte, aber auch hier sind in drei Kreisen Nachwahlen erforderlich. Mit Genugtuung wurde in Dresden registriert, dass im Landkreis Sächsische Schweiz NPD-Kandidaten nur letzte Plätze bei den Bürgermeisterwahlen belegten.