Softe Pfaffenstreifen

Der 29. Evangelische Kirchentag dient als Kulisse eines pornografischen Filmchens

Die männlichen Darsteller tragen in diesen Filmen meist Talare mit nichts drunter

Paul Gerhard (45) ist sauer. Wie wir das mit seinem Kirchentags-Porno spitz gekriegt hätten, will der wuchtige Filmproduzent wissen, wer unser „verfickter Informant“ sei. Im Übrigen, so pflaumt er dann rum, sollten wir jetzt gefälligst Leine ziehen. Von ihm erführen wir nichts, „und nun raus!“ Da vorne – er zeigefingert in Richtung der schweinsledern bezogenen Bürotür – habe der „verfickte Zimmermann“ das Loch gelassen.

Es braucht eine Viertelstunde, bis Paul Gerhard schließlich doch bereit ist, über sein „Ki-Ta-Projekt“ zu sprechen. So nennt er sein bislang geheim geglaubtes Vorhaben, den heute in Frankfurt beginnenden 29. Evangelischen Kirchentag als Schauplatz für ein „kleines pornografisches Filmchen“ zu nutzen. „Nichts wirklich Hartes, eher was Sanftes im Konfirmandinnen-Sujet“, ganz wie es seine „verfickte Kundschaft“ wünsche: „Mit Knutschen, Fummeln, Anfassen vor allem, ein bisschen Lecken und Pimpern – meine Güte, was soll’s!“

Paul Gerhards Pornofilmproduktion, die „Stimulanzia GbR“, residiert in einem funktionalen Flachbau eines Wiesbadener Gewerbegebietes. Hier entstehen pro Monat zwei bis drei dieser Filme, deren alleinigen Zweck Gerhards polnischer Cutter so umschreibt: „Kollege kommt gleich!“ Als die Spezialität von „Stimulanzia“ gelten die so genannten Pfaffen-Streifen; semi-pornografische Kurzfilme, deren knappe Handlungen im Milieu evangelisch-lutherischer, wahlweise apostolischer Kirchengemeinden spielen. Gedreht werden diese Filme ausnahmslos an Originalschauplätzen, also in evangelischen Kirchen, Kapellen oder Gemeindehäusern, was, wie Paul Gerhard schwitzend zugibt, nicht immer ganz einfach zu bewerkstelligen sei, aber aus Gründen der Authenzität unbedingt sein müsse. Die männlichen Darsteller tragen in diesen Filmen meist Talare mit nichts drunter. Die Damen treten vorrangig als bestrapste Pfarrersgattinnen, halbnackte Organistinnen oder aufreizend gewandete Kirchenhelferinnen an. Auch müssen sie immer mal wieder minderjährige Konfirmandinnen mimen, gleichwohl ihnen das am wenigsten gelingt, da Gerhards Darstellerinnen allesamt und deutlich sichtbar aus dem Konfirmandinnenalter heraus und „auf jeden Fall schon volljährig“ sind, wie Paul Gerhard mehrfach betont. „Viele sind sogar schon doppelt volljährig“, merkt sein Cutter sarkastisch grinsend an.

Der Gedanke, einen Pfaffen-Streifen auf dem Evangelischen Kirchentag spielen zu lassen, ist für Gerhard „mindestens so nahe liegend wie Wiesbaden und Frankfurt“, vor allem aber „was völlig Neues für das Genre, noch nie da gewesen“. Die Idee dazu kam ihm, als vor zwei Jahren „irgend so ein verfickter Berliner Kollege“ einen gemischtgeschlechtlichen Trupp junger Leute auf die Berliner Love Parade schickte, um sie dort vor laufenden Kameras und inmitten von 1,5 Millionen ravenden Statisten sehr ertragreich miteinander kopulieren zu lassen. Warum sollte das nicht auch auf einem Evangelischen Kirchentag klappen? Zumal ja auch dessen rund 100.000 Besucher überwiegend „junge Leute sind“, die, wie Gerhard schwer annimmt, „beileibe nicht nur zum Beten“ herkämen und größtenteils, „und zwar Männlein und Weiblein durcheinander“, in Gemeinschaftsunterkünften schliefen, wo es dann, davon ist Gerhard überzeugt, „sowieso drunter und drüber“ ginge.

Eine solche Gemeinschaftsunterkunft ist denn auch der Hauptschauplatz seines geplanten Kirchentagpornos, der unmittelbar nach dem Schlussgottesdienst am Sonntag „als das etwas andere Kirchentagsmitbringsel“ (Gerhard) den Gläubigen zum Verkauf angeboten werden soll. Die Dreharbeiten zu „In Dulci Jubilo“, so der Filmtitel, sind minutiös vorbereitet. Sowohl Drehteam als auch „die Damen und Herren Darsteller“ wurden von Gerhard als Kirchentagsteilnehmer ordnungsgemäß angemeldet, damit sie ungehindert auf das „verfickte Kirchentagsgelände“ gelangen. Morgen Mittag soll dort die pikanteste Außenaufnahme gedreht werden: eine Fummelszene zwischen einem „notgeilen Pfarrer und seiner schlussendlich nur mit einem lila Halstuch bekleideten Gemeindeschwester“, die inmitten der Kirchentagsbesucher auf dem Markt der Möglichkeiten inszeniert wird. Auch am Rande des heutigen Eröffungsgottesdienstes werden einige gewagte Gruppenszenen gedreht. FRITZ TIETZ