Zeitung macht Druck im Netz

„Rhein-Zeitung“ erscheint jetzt auch zum Blättern im Netz. Wer lesen will, muss zahlen

MAINZ taz ■ Internetzeitungsleser blättern nicht, sie navigieren. Und bei der Lektüre der Online-Version ihres Lieblingsblattes müssen sie in der Regel auf Bilder und Grafiken verzichten. Das Digi-Layout im Netz hat nämlich nichts mit der Gestaltung der Papierausgabe gemeinsam. Bislang wenigstens. Nun brechen wieder einmal andere Zeiten an: Wurde unlängst dem gedruckten Wort schon der Tod prophezeit, wird es jetzt wieder groß geschrieben. Zumindest auf der Website der Koblenzer Rhein-Zeitung.

Unter www.epaper.rhein-zeitung.de können Abonnenten ab sechs Uhr morgens in der kompletten Print-Ausgabe der Regionalzeitung – ja tatsächlich – blättern. Und all diejenigen, die nicht zu den rund 240.000 Stammlesern der Rhein-Zeitung gehören, können das alte Leseerlebnis im neuen Medium an zwei Ausgaben testen. Wer sich die beiden Probeexemplare auf den Monitor holt, entdeckt eine ungewöhnliche Präsentationsform: Alle Seiten der gedruckten Ausgabe können im verkleinerten Originalformat aufgerufen werden – sei es durch Blättern von vorne nach hinten und zurück oder durch einen Klick auf die Übersicht am Bildschirmrand. Ein Hauch von Druckerschwärze weht dem User entgegen, fehlt nur noch das Rascheln des Papiers.

Fährt man mit der Maus über die einzelnen Artikel, erscheinen Überschrift und Unterzeile noch einmal deutlicher in einem blauen Fensterchen. Per Klick lassen sich die Texte nun vergrößern. Und hier hört die Lesegefühlsechtheit dann leider doch auf: Es erscheint die für Internetzeitungen typische Textspalte, die sich nur durch das eventuell vorhandene Foto vom Layout der Konkurrenz im Web unterscheidet.

Stolzer Chefredakteur

Dafür ist aber auch tatsächlich der gesamte Inhalt des gedruckten Originals im Netz: vom Comic über Inserate bis zu den Anzeigen, die geschickt auf den Werbepartner verlinken. Nicht zu vergessen die gesamten Lokalteile des Verbreitungsgebietes. So kann man zum Beispiel die Ergebnisse der Tennis-Rheinhessenliga der Männer einsehen.

Die Macher sind mächtig stolz auf ihren E-Paper-Auftritt: „Es ist weltweit das erste Online-Angebot einer Zeitung, das der gedruckten Ausgabe in allen Bereichen entspricht“, sagt Chefredakteur Martin Lohmann. Rund eine Million Mark hat der Verlag in die Entwicklung gesteckt. Und das könnte sich auszahlen: Im September wollen die Auflagenfeststeller der IVW entscheiden, ob die E-Tageszeitung zu den gedruckten Exemplaren dazugezählt werden kann. Dann würde die Rhein-Zeitung auch ein rein digitales Abonnement anbieten – und die Auflage steigern.

Noch ist das E-Paper vom Rhein also worldwide einzigartig – doch auch andere Zeitungen wollen künftig Druck im Netz machen und dadurch ihre Leser stärker an sich binden. Die Welt will in Kürze registrierten Nutzern ihre Ausgabe im PDF-Format zur Verfügung stellen; andere Regionalzeitungen wie die Rheinische Post (Düsseldorf) und die Nordwest Zeitung (Oldenburg) hegen ebenfalls Pläne, ihr Print-Produkt eins zu eins im Internet zu präsentieren. Und: Wer hätte gedacht, dass die kleine Zeitung vom Rhein mal ein Vorbild für die große New York Times sein wird. Ab Herbst soll es ein Online-Abo des gedruckten Blattes geben. Schwarz auf weiß im Digitalen.

JUTTA HEESS