Ein Kultfilm im Theater

■ Das Waldau-Theater hat den Filmklassiker „Harold & Maude“ auf die Bühne gebracht – solide Unterhaltung, die mit der Erinnerung ans Original spielt.

Ist denen denn nichts heilig? Fragt man sich, wenn man hört, dass Michael Derda und das Ensemble des Waldau-Theaters sich nun „Harold & Maude“ vorgenommen haben. Nach „The Rocky Horror Picture Show“ und „Loriot's Dramatische Werke“ wird noch ein Kult wiederverwertet. Wer den Film kennt, kann sich kaum vorstellen, dass sein subversiver Witz und die Ausstrahlung der beiden Schauspieler Bud Cort und Ruth Gordon irgendwie auf die Bühne herüberzuretten ist. Doch dann wird man angenehm überrascht!

Eine subtile Schauspielerführung kann man Michael Derda nun ganz gewiss nicht vorwerfen. In seiner Inszenierung wird alles mit dem ganz dicken Pinsel gemalt, die Nebenfiguren sind Karikaturen mit übertriebener Mimik wie in Zeichentrickfilmen, aber das Stück ist so robust gebaut, dass es solch eine Behandlung erstaunlich gut übersteht. Das liegt wohl auch daran, dass Drehbuchautor Colin Higgins es 1973 selbst für das Theater adaptierte. Die Pointen sitzen also, und es hat sich einer, der etwas davon versteht, Gedanken darüber gemacht, wie man die Filmgags in Theatereffekte umwandelt.

So sieht man als Erstes, wenn der Vorhang sich öffnet, Harold an einem langen Seil im Wohnzimmer hängen. Der junge, todessehnsüchtige Mann inszeniert seine vorgetäuschten Selbstmorde so virtous wie nur möglich, und da er dies auch im Film schon mit Theatertricks wie dem Teleskopdolch, Feuerzauber und Blutbeutel machte, waren sie ohne viel Reibungsverlust auch auf die Bühne zu bringen. Und Sascha Rotermund spielt den jungen Möchtegerntoten zudem sehr gewinnend. Zwar nicht so traurig/kindlich wie Bud Cort, sondern eher depressiv/aufsässig, und er ist auch etwa zehn Jahre zu alt für die Rolle, aber das vergisst man schnell, und Iris Born spielt seine Mutter so penetrant beherrschend, dass alle Sympathien sofort bei Harold liegen. Vor allem glaubt man ihm, dass er sich zu der 79jährigen Maude hingezogen fühlt, die Elfie Schrodt als warmherzige Frau voller Lebensweisheit spielt. Die beiden passen auf der Bühne gut zusammen, und dadurch funktionieren auch die etwas zu lanen Szenen, in denen sie ihn ihre Lebensfreude lehren will – auch wenn sie oft knapp am Kitsch vorbeischlittern.

Natürlich bleibt „Harold & Maude“ immer die Kopie eines Films, es wird nie zu einem Theaterstück für sich, weil man immer die Anstrengung spürt, mit der eine möglichst exakte Übertragung versucht wird. Manchmal klappt es auch nicht so gut: Im Film reicht etwa eine Nahaufnahme auf die tätowierte Nummer auf Maudes Arm, um zu zeigen, dass sie im KZ war, während dies auf der Bühne umständlich in einen Dialog eingebaut werden muß, der längst nicht den gleichen Schockeffekt auslöst. Auch dass Harold und Maude plötzlich in Englisch ein Lied zusammen singen und tanzen, wirkt auf der Bühne gewollt, während es im Film durch geschickte Schnitte ganz organisch eingebettet ist. Und die Filmmusik von Cat Stevens wird schließlich zwischen den zahlreichen Szenenwechseln eingespielt – auch hier hechelt das Theater dem Film atemlos hinterher. Auch dadurch wird man ständig wieder an den Film erinnert. Soll man ja auch – dieser merkwürdige Doppelungs-Effekt, bei dem man ständig zum Bild auf der Bühne auch noch das erinnerte vom Film sieht, ist intendiert und gibt der Aufführung ihren besonderen Reiz. Aber jetzt sollten sich Derda und sein Team wirklich mal was trauen: „Casablanca“ schreit geradezu danach, im Waldau Theater nachgespielt zu werden.

Wilfried Hippen

Weitere Aufführungen heute und morgen 20 Uhr, Samstag und Sonntag 19 Uhr, am 22. 23. & 24. 6.