Verteilungskämpfe im Anzeigenumfeld

■ Vom Nach-oben-aus-dem-Bild-Laufen und Von-unten-auf-das-Objekt-Sehen: Jörn Christiansen, Direktor des Focke Museums, zur Ausstellung „15 Jahre taz-Fotografie“ Die nächsten 15 Jahre werden für die Medienbranche revolutionärer als die vergangenen – meinen Medienleute

In 15 Jahren wird die taz bremen für diesen Text möglicherweise nur noch das halbe Honorar zahlen können. Auch der Weser-Kurier und die Westdeutsche Allgemeine Zeitung wird die Hälfte der RedakteurInnen entlassen müssen. Und der auf Finanzausgleich von den reicheren ARD-Anstalten angewiesene Sender Radio Bremen wird Beiträge von unbezahlten PraktikantInnen senden, die trotz allem noch Journalisten werden wollen. „Eine Revolution steht bevor“, glaubt der Mitgründer der taz bremen, Klaus Wolschner, und ergänzt: „Die wird nicht durch uns Medienmacher, sondern durch die technischen Entwicklungen ausgelöst.“

Aus Anlass des 15. Geburtstages der taz bremen hatte diese Zeitung am Dienstagabend zur Diskussion „15 Jahre danach – Revolution in der Medienlandschaft“ geladen. Doch die Debatte mit JournalistInnen und MedienwissenschaftlerInnen sollte keine selbstbespiegelnde Rückschau auf inzwischen rund 25.000 Bremer taz-Lokalseiten sein, sondern ein Ausblick: „Welcher Platz bleibt Tageszeitungen in der neuen Medienwelt?“, lautet der Untertitel. Oder mit anderen Worten: Welche Informationsangebote werden in 15 Jahren genutzt? Und welchen Preis können MedienmacherInnen dafür verlangen?

Auch wenn sich die Internet-Euphorie der letzten Jahre inzwischen gelegt hat, ist sich das Podium in Einem einig: Zeitungen und die herkömmlichen elektronischen Medien haben im Netz neue Konkurrenz bekommen. Eine neue Art des Sehens und des interaktiven Umgangs mit Bildern ist nach Auffassung des Medienexperten von der Universität Bremen, Bernd Robben, heraufgezogen. Das Internet bietet den Zugriff auf eine konkurrenzlos hohe Speicherkapazität, stellt Beatrice Dernbach fest und weiß: „Qualitätszeitungen wird es immer geben, aber nicht alle Zeitungen werden überleben.“ Die Professorin für Journalistik an der Hochschule Bremen ist erstaunlich gelassen: „Die Torte bleibt gleich groß, aber die Stücke werden anders geschnitten.“ Was aber ist, wenn man von diesen Stücken lebt? Oder in Zukunft leben will?

Im Gegensatz zur taz-Politikredakteurin Susanne Gieffers, die einen Qualitätsverlust in Regionalzeitungen befürchtet, malt Klaus Wolschner sein Bild von der Zukunft bewusst nicht düster: Seiner Ansicht nach werden Kleinanzeigen, Wohnungs- oder Stelleninserate zu Gunsten des Internet aus den Zeitungen verschwinden. „Ökonomisch sind Zeitungen die Herstellung von Aufmerksamkeit in einem Anzeigenumfeld. Und wenn die Anzeigenumsätze um dreißig Prozent zurückgehen, haben Verlage ein Riesenproblem.“ Noch sind die etablierten Medien mit ihren Online-Angeboten erfolgreicher als Newcomer. Auch wenn Verleger nach Dernbachs Auffassung lange geschlafen haben, stellen sie Service-Angebote wie Wohnungsinserate inzwischen halbherzig ins Netz und – geben viel Geld dafür aus. „Zeitungsverlage gehen aus Angst in die neuen Medien“, weiß David Koopmann, Marketing-Mann vom Weser-Kurier. „Wenn sich die Befürchtungen nicht bestätigen, ziehen sie sich zurück.“ An Privatradio und -fernsehen verdienen inzwischen andere Geld, meint Koopmann.

Aber auch auf inhaltlicher Ebene machen Internet-Angebote den Alt-Medien Konkurrenz. Klaus Wolschner sieht in der Möglichkeit, Informationen nach individuellen Bedürfnissen zusammenzustellen, eine neue Form. Zu den E-Mail-Newsletters werden sich schon bald Filme und andere Angebote „on demand“ (auf Wunsch) gesellen. Zwar ist noch offen, wer dafür wie viel Geld bezahlen wird, schließlich haben Leo Kirchs „premiere“-Schwierigkeiten die Branche ernüchtert. Doch die Mediennutzerin wird nach diesem Modell zu ihrer eigenen Redakteurin. Das Publikum in der gut besuchten Veranstaltung hält diese Aussichten nicht für attraktiv und will weiterhin von den Redaktionen in Zeitungen und anderen Medien überrascht werden. Aber was ist mit den jungen Menschen, die zum Frühstück nicht mehr zur Zeitung greifen? Erst kürzlich hat eine Studie bei fast allen Zeitungen große Reichweitenverluste bei jungen LeserInnen ermittelt.

Der Ex-taz- und heutige Spiegel-Redakteur Manfred Dworschak gibt nur teilweise Entwarnung. Das Nachrichtenmagazin sei aus seinen Träumen aufgewacht und hat sich von den hochfliegenden und viel zu teuren Plänen eines Informationsportals im Netz verabschiedet. „Es gibt kaum eine Vorstellung von qualitätsvollem Online-Journalismus.“ Statt dessen wird der so genannte journalistische Content nur aus geklonten Inhalten der herkömmlichen Medien gebildet. Und die greifen sich selbst an: Seit Agenturmeldungen überall umsonst zu haben sind, „sind Nachrichten nichts mehr wert.“ Der früheretaz-Redakteur und heutige Senatssprecher Klaus Schloesser dazu: „Wir haben die taz nicht wegen der Kurzmeldungsspalte gemacht.“ Sein Rezept: „Längere, gute und exklusive Artikel schreiben.“

Und Hartmut Spiesecke, früher Sprecher des Bremer Innensenators und heute PR-Mann des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft, ergänzt: „Von nix kommt nix. In nicht allzu ferner Zukunft werden Inhalte im Netz auch etwas kosten.“ ck