PDS verklagt die rot-grüne Bundesregierung

Kommende Woche wird das Bundesverfassungsgericht klären, ob die neue Nato-Strategie ohne Votum des Bundestages verändert werden durfte

BERLIN taz ■ Unter großem Getöse ist die PDS in Berlin gerade dabei, einen ihrer größten politischen Erfolge der vergangenen zehn Jahre zu feiern. Sie wird nach Neuwahlen wahrscheinlich die deutsche Hauptstadt mitregieren. Völlig im Gegensatz dazu, zumindest was die Lautstärke betrifft, arbeitet die Bundestagsfraktion der Partei an einem Vorhaben, das dem Kanzler und seiner Regierung mehr Bauchschmerzen bereiten könnte als ein paar Postkommunisten an der Macht.

Still, aber beharrlich hat die PDS eine Verfassungsklage gegen die Bundesregierung betrieben. Ihr Vorwurf: Die neue Nato-Strategie, die im Frühjahr 1999 von den Staats- und Regierungschefs der Nato-Mitgliedsländer beschlossen worden ist, hätte nicht ohne Zustimmung des Bundestages wirksam werden dürfen. Das Hauptargument: Die neue Strategie, von der Militärallianz kurz nach Beginn des Kosovo-Krieges verabschiedet, gehe über die Vereinbarungen des bisherigen Nato-Vertrages hinaus, weil sie militärische Interventionen auch außerhalb des Nato-Gebietes ermöglicht.

Die PDS bezieht sich auf Grundgesetz-Artikel 59, der besagt, dass „Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen“, der Zustimmung des Parlaments bedürfen. Die Bundesregierung und der Bundestag, der dem Organklageverfahren auf Seiten der Regierung beigetreten ist, sehen die neue Nato-Strategie nur als Weiterführung der bisherigen Vereinbarung, nicht aber als einen neuen Vertrag an. Der Prozessbevollmächtigte der PDS, der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech, widerspricht dieser Interpretation. Der Nato-Vertrag sei grundlegend geändert worden, indem die Nato „von einem Verteidigungs- zu einem offensiven Interventionssystem umgemodelt“ worden sei.

Für Fraktionschef Roland Claus geht es der PDS um eine zentrale Frage: „Wir wollen nicht, dass Außenpolitik weit gehend am Parlament vorbei gemacht wird.“ In diesem Sinne verstehe er den Gang nach Karlsruhe als eine Art Prophylaxe für die parlamentarische Kultur. „Unsere Klage hat auch prinzipielle Bedeutung für weitere internationale Verträge, die im Rahmen der europäischen Einigung sowie der Globalisierung anstehen“, so Claus. Die PDS möchte mit ihrem Schritt prinzipielle Fragen der Gewaltenteilung wieder ins Bewusstsein rücken. Das Parlament soll gegenüber Konsensrunden und Kanzlerräten gestärkt werden. Die PDS fühlt sich dabei durchaus in Übereinstimmung mit der FDP und der Union, die zuletzt des öfteren Kritik an der Ausschaltung des Parlaments bei außenpolitischen Grundsatzfragen geübt hatten.

Was ihre Erfolgsaussichten in Karlsruhe betrifft, gibt sich die Fraktionsspitze der PDS zurückhaltend. Aber sie lässt durchblicken, dass sie sich gute Chancen ausrechnet. Das Bundesverfassungsgericht, das die Klage der PDS in mündlicher Verhandlung am Dienstag behandelt, habe in bisherigen Urteilen die Belange des Parlaments immer gebührend berücksichtigt, heißt es.

JENS KÖNIG