Schreiben am Epilog

■ Der Ethnopsychoanalytiker Paul Parin liest im Museum für Völkerkunde aus seinen neuesten Erzählungen

Die eigene Profession verglich er einmal, den langjährigen Kollegen und Freund Fritz Morgenthaler zitierend, mit „verspäteten Gästen an einem Mahl, das längst verspeist ist“: Psychoanalytiker, die vermeintlichen Experten fürs Seelische, werden immer dann zu Rate gezogen, wenn sich schreckliche, traumatisierende Ereignisse bereits zugetragen haben. Paul Parin, laut Spiegel ein „Überbleibsel der Aufklärung“, sah in der Methode freilich keine „Reparatur und Anpassungsmethode“, sondern eine Disziplin, die das gesellschaftliche beziehungsweise kulturelle Ganze in seiner Auswirkung auf die einzelne Psyche zu beleuchten hat. Seine Schlussfolgerungen waren immer auch politische, Parin zeitlebens Sozialist, dabei nie Mitglied in einer Partei; 1944/45 half der gelernte Chirurg freiwillig in Partisanenlazaretten. Gebürtiger Schweizer, war der in Slowenien aufgewachsene bekennende Kosmopolit auch wiederholt willkommen, als es galt, einer schlecht informierten Weltöffentlichkeit die vermeintlich archa-ischen Vorgänge im zerfallenden Jugoslawien zu erklären.

Seine eigentliche Karriere hat Parin, der bis 1990 eine psychoanalytische Praxis betrieb, dabei auf einem Gebiet gemacht, das er nie so recht gelernt hat. Mit seiner Frau Goldy Parin-Mattèy sowie Fritz Morgenthaler darf er als Begründer der deutschsprachigen Ethnopsychoanalyse gelten: Auf insgesamt sechs Reisen nach Westafrika prüften und bewiesen sie die Nützlichkeit psychoanalytischer Perspektiven zum Verständnis so genannt fremder Kulturen.

Heute liest Parin auf Einladung des Literaturzentrums im Museum für Völkerkunde aus seinem jüngsten Erzählungsband Der Traum von Ségou. Seit 1980 beschäftigt er sich mit dem literarischen Schreiben, hat es nach Schließung der eigenen Praxis intensiviert. Seit dem Tod seiner Frau 1997 betreibt Parin es als Teil eines disziplinierten Weiterlebens. War ihm die gemeinsame, die deutsche Sprache anfangs verschlossen, „kontaminiert“, schreibt er inzwischen – wie er selbst sagt – am eigenen Epilog. Der Traum von Ségou versammelt autobiographische Schlaglichter und ethnographisch gerahmte Anekdoten und zeigt Parin einmal mehr als scharfsinnigen Kommentator und brillanten Erzähler.

Alexander Diehl

heute, 20 Uhr, Museum für Völkerkunde. Einführung: Thomas Plaichinger. Der Traum von Ségou, Hamburg 2001, 198 S., 38 Mark