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: Das Nichts ist ein Trend, der eigentlich gar nicht da ist

Distinktion im Bergstübel

In dieser Kolumne, die es sich bekanntlich zur Aufgabe gemacht hat, sich mit den so schillernden Facetten des Metropolenlebens auseinander zu setzen, ist es mittlerweile zu einer schönen Tradition geworden, Woche für Woche festzuhalten, dass eigentlich nie etwas passiert. Nach allem, was man weiß, gaben auch die letzten Tage keinen Anlass, diese Feststellung zu überdenken. Natürlich mag man einwenden, dass das so nicht stimmt und sozusagen ständig etwas passiert, und in dem Zusammenhang sogar Dinge, die auch für diese Zeilen von Belang sein könnten, doch die Dinge, die passieren, sind gemeinhin Dinge, die nicht zählen. Dazu gehörten in der letzten Woche diverse Filmpremieren, Awards, Clubnächte, Kneipenabende und Konzerte.

Zum Beispiel die „be.angeled“-Party im Cookies. Die Ereignislosigkeit spiegelte sich in der Anwesenheit unzähliger Kamerateams wider, die auf der Suche nach irgendetwas trotz intensiver Bemühungen offenbar nichts fanden und schließlich dazu übergingen, sich gegenseitig zu filmen, und damit den Nichtereignischarakter derart zementierten, dass er beinah auf dem Sprung zu etwas war, aber leider nur beinah. Während ein regulärer Abend im Cookies sich dadurch auszeichnet, dass die allgegenwärtige Abwesenheit von etwas sich augenblicklich wie Mehltau auf die Stimmung legt und einem damit auch den letzten Hauch von Leben entzieht, so schien die Lebendigkeit hier bereits von vornherein simuliert. Wie bei einer groß angelegten Vertuschung gewissermaßen. Andererseits könnte man auch sagen, dass die Stimmung der Party damit exakt der Stimmung des Films entsprach, der wiederum die Stimmung seines Themas, der Love Parade nämlich, geradezu kongenial einfängt. Erst wartet man darauf, dass etwas geschieht, dann verliert man das Interesse, dann ist es schon wieder vorbei. Vielleicht hat man es hier sogar mit einer konzeptuell ausgeklügelten Potenzierung des Nichts zu tun, die, in welcher Weise auch immer, wohin auch immer führt.

Anders, aber auch ähnlich verhielt es sich auch mit der Verleihung des Clip-Awards. Das Grundgefühl der Veranstaltung, die das Selbstbewusstsein der Musikvideos produzierenden Produzenten stützen sollte, drückte sich am treffendsten in der Laudatio der Schaupielerin Julia Hummer aus, der es zufiel, den Preis für das beste Rockvideo zu überreichen: „Ich habe mir lange überlegt, was ich zu Rock sagen könnte, aber mir fiel nichts ein.“ Sehr schön! Auch anderen wie zum Beispiel Michael Naumann, Blümchen, Gina Wilde und Ken Jepsen fiel auf weitaus professionellere Weise nichts ein, doch immerhin zeigte diese Veranstaltung durchaus anschaulich, dass das Nichts viele Gesichter hat.

Ein weiteres Gesicht findet man in der Veteranenstraße. Eigentlich ist es nur eine Kneipe mit dem schönen Namen Bergstübel, andererseits ist es anscheinend mehr. Aber niemand weiß warum. Abend für Abend drängt es stadtbekanntes Szenepublikum zu diesem Ort, meist ist das Bergstübel derart überfüllt, dass die Leute ihre Getränke auf der Straße zu sich nehmen müssen. Drinnen sieht es so aus wie überall. Das Besondere ist, dass sich das Bergstübel durch nichts von einer anderen Berliner Kneipe unterscheidet, dass das Nichts aber offenbar derart beschaffen ist, dass es das Bergstübel zu etwas Besonderem macht. Der Witz ist dabei, dass das Nichts ohne diese Besonderheit nicht auffiele, grad so, als sei es gar nicht da. Weswegen man an dieser Stelle feststellen muss, dass analog zum Trend, der das vergangene Jahr prägte, dieses Jahr etwas dominiert, was es überhaupt nicht gibt. HARALD PETERS