zoologie der sportlerarten (33)
: PROF. HIRSCH-WURZ über den Baseballspieler

Kaugummi und Keule

Wenn man ein paar Affen an eine Schreibmaschine setzt und ihnen ein paar Millionen Jahre Zeit lässt, dann hauen sie irgendwann auch mal das ein oder andere Shakespeare-Drama in die Tasten. Das ist bekannt. Weniger bekannt ist folgendes: Setzt man zwei Affen in einen Raum, gibt ihnen eine Keule und einen Stein, dann dauert es nur wenige Minuten und sie erfinden Baseball.

Der Homo ceulicus betreibt ohne Zweifel eine der archaischsten Sportarten, die es gibt. Werfen, draufhauen, wegrennen, das beherrschte schon der urzeitliche Mammutjäger je nach evolutionärer Eignung mehr oder weniger perfekt. Leider verfügte er nicht über genügend Zeit, um diese Fertigkeiten auch zum sportlichen Wettstreit einzusetzen. Zeit hat der Amerikaner, neuzeitliches Pendant zum Mammutjäger, im Überfluss, weshalb es dort nicht nur massenhaft Menschen gibt, die Baseball spielen, sondern sogar welche, die dabei zugucken. Genau genommen gucken sie natürlich nicht zu, sondern sitzen, während sich der Homo ceulicus drunten abrackert, bloß herum, trinken Bier, futtern Hot Dogs, blinzeln in die Sonne und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein. Diese Beschäftigung nimmt ganze Nachmittage oder Abende in Anspruch, und würde man dem durchschnittlichen Baseballfan jedes Mal, wenn er sich ins Stadion verfügt, eine Schreibmaschine mitgeben, dann käme im Laufe seines Lebens locker wenigstens ein kleiner Grisham zusammen.

Die Tätigkeit des Homo ceulicus unterscheidet sich von der seiner Anhänger auf den Rängen eigentlich nur dadurch, dass er kein Bier trinkt. Dafür kaut er inbrünstig auf einem Kaugummi herum, die herausragendste Innovation seit alten Mammuttagen. Die meiste Zeit lümmelt er gelangweilt auf einer Bank, die in einer Art Schützengraben befestigt ist, vermutlich wegen der Mammuts, oder er steht verloren auf der großen Wiese und wartet wie ein versetzter Liebhaber auf Bälle, die doch nie kommen.

Gelegentlich muss der Homo ceulicus aber auch ein bisschen arbeiten. Dann steht er auf, streckt sich wie ein Kater nach dem Mittagsschlaf, justiert mit konzentrierter Akribie sein Gemächt, schnappt die Keule und schlendert zur Homeplate. Dort haut er ein paar Mal schwungvoll in die Luft und darf sich schon wieder setzen, es sei denn, sein Schläger kommt auf mysteriöse Weise mit dem Ball in Berührung, was jedoch so gut wie nie der Fall ist. Wenn aber doch, muss er tatsächlich ein paar Meter rennen, bis er endlich wieder verschnaufen darf. Mit der Gemütlichkeit ist es allerdings erst mal aus, könnte ja sein, dass einer der folgenden Kollegen auch noch trifft und ein weiteres kleines Läufchen fällig wird. Besonders bequeme Exemplare des Homo ceulicus ziehen es daher vor, den Ball gleich in die Zuschauerränge zu donnern. Dann nämlich können sie gemütlich ihre Runde absolvieren, brauchen nicht so zu hetzen und kommen schneller zu ihrer wohlverdienten Pause.

Außer dem Sumo-Ringer und gewissen Merdinger Radfahrern ist der Homo ceulicus die einzige Sportlerart, die ihrer Profession auch mit einer gewissen Fettleibigkeit frönen kann. Bei Babe Ruth oder Joe di Maggio handelte es sich wahrlich nicht um Hänflinge, und der aktuelle Top-Haudrauf Mark McGwire stopft sich sogar mit anabolikagesättigtem Kraftfutter voll, damit er die Kugel umso wuchtiger in den Orbit jagen kann.

Eine Sonderform des Homo ceulicus ist der Homo pitchicus, der sich radikal von seinem Artgenossen unterscheidet und mit diesem eigentlich nur das Trikot und den Kaugummi gemein hat. Der Pitchicus ist der Schwerstarbeiter unter den Männern der Keule, dabei hat er nicht mal eine. Ball um Ball muss er auf die gegnerischen Schlägerschwinger schleudern, mal schnell, mal krumm, mal flatterig, bis ihm fast der Arm abfällt. Am Ende ist dann trotzdem immer er schuld, wenn die Sache schief geht, was ihm einen verbitterten Zug um die Mundwinkel verleiht, der aber auch vom Kaugummikauen kommen kann.

Wissenschaftliche Mitarbeit:

MATTI LIESKE

Fotohinweis: H. Hirsch-Wurz, 50, ist ordentlicher Professor für Humanzoologie am Institut für Bewegungsexzentrik in Göttingen.