Windräder oder Möwenkreischen

Norddeutsche Länder wollen Offshore-Windkraft stärker fördern. Auf einem Kongress in Berlin wurden Probleme diskutiert: Zu nahe an der Küste könnten Tiere gestört werden. Für Anlagen weit draußen im Meer gibt es noch keine Erfahrungswerte

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Ob grün, sozialdemokratisch oder demokratisch sozialistisch: Wenn es um Windkraft geht, ist man sich einig. Die Umweltminister der drei norddeutschen Küstenländer präsentierten sich gestern auf dem Offshore-Windenergie-Kongress in Berlin als Förderer der Windkraft. „Wir wollen das Land zwischen den Meeren bleiben“, sagte Schleswig-Holsteins Umweltminster Klaus Müller (Grüne), „und nicht das Land unter dem Meer.“ Der Klimaschutz erfordere es, das riesige Windkraftpotenzial auf See zu nutzen, erklärten auch der Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Methling (PDS), und die Staatssekretärin des SPD-geführten Umweltministeriums in Niedersachsen, Friederike Witte.

Die Begeisterung der Landespolitiker ist von entscheidender Bedeutung für die Windkraft-Industrie. Denn um die neue Technik zu erproben, sind Standorte in Küstennähe dringend erforderlich. Doch das Bundesumweltministerium hat in der vergangene Woche vorgestellten Studie lediglich Gebiete in der Nordsee vorgeschlagen, die jeweils 50 Kilometer entfernt vom Land liegen. Flächen also in der so genannten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), über die Deutschland nur eingeschränkte Hoheit hat. Zu Standorten soweit draußen im offenen Meer gibt es bislang weltweit keine Erfahrungen. Zudem müssen die See-Windräder deutlich größer sein als die an Land, um sich zu rechnen, was in der Testphase dieser Großanlagen zu mehr Wartungsaufwand führt.

Die meisten der 15 vorliegenden Anträge betreffen deshalb Stellen näher an der Küste. Meist in der 12-Seemeilen-Zone, die unter die Zuständigkeit der Länder fällt. In Schleswig-Holstein liegt bereits der Entwurf für das erste Raumordnungsverfahren für den Windpark „Sky 2000“ vor. Er soll in der Mecklenburger Bucht 15 Kilometer südöstlich von Fehmarn entstehen. Der zweite Standort, an dem Klaus Müller, Windparks bündeln will, liegt in der Nordsee, in einem Ring nördlich von Helgoland. Diese Zone liegt etwa 30 Kilometer vor dem Festland und ist eine der wenigen Bereiche der schleswig-holsteinischen Nordsee, die nicht unter Naturschutz stehen.

Doch pikanterweise gehört dieser Bereich zu den Gebieten, die das Bundesamt für Naturschutz und das Bundesumweltministerium als „ökologisch besonders wertvoll“ eingestuft haben. Der Bereich um Helgoland gilt nach der FFH- (Flora, Fauna, Habitat-)Richtlinie der EU als Zone mit besonders wichtigen ökologischen Funktionen.

Der Druck auf die wenigen küstennahen Standorte ist groß. Immerhin geht es allein in den nächsten paar Jahren um Investitionen in Milliardenhöhe. Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Methling sprach von 17 Projektgruppen, die einen Windpark an seiner Küste wollen. Als erster Standort sollen 20 Windräder nördlich der Halbinsel Darß-Zingst entstehen, für den es bereits einen Beschluss der gesamten Landesregierung gibt. „Wir meinen, dass trotz der zu schützenden Bereiche noch weitere Standorte bei uns zu finden sind“, erklärte Methling.

Alle drei Landesministerien erklärten, man wolle die Naturschutzbelange sorgfältig untersuchen. So wurde in Müllers Umweltministerium in Kiel bereits der erste geplante Standort für das Projekt „Sky 2000“ von der Sagas-Bank auf den neuen Standort 15 Kilometer südöstlich Fehmarns verschoben. Doch um festzustellen, wie die Vogel auf die großen Windräder reagieren und ob Rotorgeräusche und Baulärm Meeresbewohner vertreiben, da sind sich Bund und Länder einig, müssen so oder so Pilotprojekte entstehen.