Und tschüss!

Heute wird er abgewählt. Es ist vorbei. Bye-bye. Der Junimond schien zwar nicht, als Eberhard Diepgen gestern seine letzte Pressekonferenz als Regierender gab, aber die Junisonne, sie strahlte. Und Ebi tat es ihr nach, vielleicht weil er wusste, dass er heute nicht nur abgewählt wird, sondern auch in seinen wohl verdienten Ruhestand gehen darf. Es pfeifen ja schon die Spatzen von den Dächern, dass der seit 1984 mit einer rot-grünen Unterbrechung regierende Diepgen am Sonntag die Kapitänsbinde an seinen Nachfolger Frank Steffel überreichen wird. Das alte Westberlin, so würde man ihm gerne nachrufen, geht schweren Wettern entgegen.

Seinen vorletzten Amtstag bewältigte Diepgen gestern allerdings noch mit der ihm eigenen Entschlossenheit. „Das ist kein normaler Machtwechsel, das ist der Marsch in eine andere Republik“, donnerte und grollte er in Richtung seines Nachfolgers ob des von „langer Hand vorbereiteten Koalitionsbruchs“. Was sich anhörte wie ein postcäsarisches „Auch du . . .“, entpuppte sich freilich als leeres Gerede. Auf der Pressekonferenz kaum verteilt, wurde die Diepgen-Erklärung wieder eingesammelt. Der Noch-Regierende hatte sich gegen Casär und für Goethe entschieden.

„Klaus Wowereit ist ein intelligenter, aber dem Geist der Verneinung verbundener Mensch“, attestierte der Regierende seinem Nachfolger und zitierte damit indirekt Goethes Faust. Dort spricht Mephisto über sich selbst: „Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht; Drum besser wär’s, dass nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz, das Böse nennt, mein eigentliches Element.“ Wenn das kein Floretthieb gegen der Teufel Jünger war.

Ein Wahlkampfprogramm ist es allemal. Die SPD, übersetzte Diepgen das Wort des Mephistopheles, habe die ganze Energie ihrer Führungskräfte darauf konzentriert, die Zusammenarbeit mit der CDU zu zerstören. Und was ist dabei herausgekommen? „Eine Koalitionsvereinbarung, wie ich sie oberflächlicher noch nie gesehen habe.“

Das war’s dann. Nach der Pressekonferenz entwischte Diepgen hinter eine Glastür ins weite Labyrinth des Roten Rathauses. Vielleicht hat er einen Reißwolf gesucht. Vielleicht hat er sich aber auch schon den Platz ausgesucht, an dem er einmal hängen wird: in Öl neben Ernst Reuter und Willy Brandt, aber auch neben dem ebenfalls über einen Skandal gestürzten Dietrich Stobbe. UWE RADA

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