Als die Bilder stehen blieben

Von „Sportschau“-Mördern und verlorenen Bronzemedaillen: Vierzig Jahre ist die Sportshow alt. Und kein Ende in Sicht. Nur die Erstausstrahlungsrechte sind schon längst weg, und so erwartet uns heute der übliche Tabellenfriedhof (17.30 Uhr, ARD)

von FRANK GERSTENBACH

Den vierzigsten Geburtstag der Sportschau feierte die ARD letzte Woche im Deutschen Sportmuseum in Köln. Selbstironie? Bittere Erkenntnis, dass das einstige Flaggschiff abgetakelt ist und zu den Wachsfiguren gehört?

Natürlich nicht, sagt ARD-Chef Fritz Pleitgen. Zwar befinde sich die Sportschau nicht mehr in der Blütezeit, sei aber gleichwohl „quicklebendig“. Das Sportmuseum sei deshalb der angemessene Platz, weil die Mutter aller Sportsendungen ihren Ehrenplatz sowohl in der Geschichte des Fernsehens wie auch in der Geschichte des Sports habe. Im Übrigen habe der Sport „viele Comebacks erlebt, die frühere Glanzzeiten oft noch überstrahlten“, sagte Pleitgen.

Der Blick auf das aktuelle Erscheinungsbild gibt allerdings weiterhin wenig Anlass für Optimismus: Nach dem Verlust der Erst-Senderechte an der Fußballbundesliga vor nunmehr neun Jahren gleicht der einstige Fernseh- Höhepunkt des Wochenendes weitgehend einem Ergebnis-und Tabellenfriedhof. Vorbei die Zeiten, als der Mann seine Ehefrau mit dem Staubsaugerschlauch erdrosselte, weil diese es gewagt hatte, ihrem Hausfrauen-Geschäft ausgerechnet zwischen 18 und 19 Uhr und dann auch noch vor der Flimmerkiste nachzugehen. Der „Sportschau-Mörder“ bekam nur drei Jahre – wegen mildernder Umstände.

15 Millionen Zuschauer hatte die am 4. Juni 1961 erstmals ausgestrahlte Sportschau, die zeitgleich mit der Antibabypille auf den Markt kam, zu ihren besten Zeiten. So viel bringen heute die Öffentlich-Rechtlichen und die Privaten bei ihren samstäglichen Sportübertragungen nicht zusammen auf die Waage. Wehmütig muss daher der Blick der Sportschau-Ikonen wie Heribert Faßbender auf die Stars von einst gefallen sein, die der alten Dame Sportschau ihre Aufwartung gemacht und ihr einst Traum-Einschaltquoten beschert hatten: Günter Netzer, Wolfgang Overath, Jo Deckarm, Eberhard Gienger, Rosi Mittermaier, Christian Neureuther, Jürgen Hingsen, Rudi Gutendorf, witzigerweise auch Jürgen Sparwasser, der Schütze des 1:0 für die DDR gegen die BRD anno 1974. Auch ein gewisser Kurt Bendlin war nach Köln gekommen: Der Zehnkampf-Weltrekordler der 60er-Jahre hatte seine Bronzemedaille von Mexiko 1968 bei einem Besuch in Köln verloren. ARD- Sportchef Heribert Faßbender hatte sie wiedergefunden: Ein anonymer Anrufer hatte sie ihm nach dem Länderspiel Deutschland-Albanien in einem Päckchen zugeschickt. Sport kann so schön sein.

Schön und vor allem unbeschwert. Doch an dieses Rezept mochte sich der neue DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder nicht halten. Unter vier Rednern – neben ihm ARD-Chef Fritz Pleitgen, Bundesinnenminister Otto Schily (der an diesem Tag mit Bundessportminister angeredet werden wollte) und Heribert Faßbender – belegte er einen ähnlich kläglichen vierten Platz wie wenige Tage zuvor sein CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer beim Kleinen Parteitag der Christdemokraten. Ausgerechnet der Mann, der wegen seines Fehlens bei der entscheidenden Abstimmung der Fifa über die WM-Senderechte gefehlt hatte und damit der ARD das Dilemma um den WM-Poker eingebrockt hatte, faselte in schleppender Stimme etwas von „TV-Mix“. Die pikierten Blicke der Zuhörer sprachen Bände. Denn hier hört der Spaß des Sports auf und beginnt der „entfesselte Wettbewerb“ (Pleitgen), in dem sich die ARD mit der Sportschau gar nicht und bei den Übertragungsrechten für die kommende Fußball-WM mehr schlecht als recht behaupten konnte. Als „Fehler“ bezeichnete der ehemalige Sportschau-Reporter Karl-Heinz Fest den Kauf des „Ladenhüters“ WM 2002: Man hätte Kirch auf seinen 25 Spielen aus Südkorea und Japan sitzen lassen sollen, zumal „er uns 2006 die Daumenschrauben erst so richtig anlegt“.

Dass im Sport der Übergang vom Völkerverbindenden zum Bellizistischen fließend sein kann, bewies auch ARD-Chef Fritz Pleitgen im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion über die Verlegung der Sendezeit der Sport-Show „ran“ auf 20.15 Uhr: Er wolle „keinen Krieg“ – weder mit den Vereinen noch mit den Privaten, aber eins stehe fest: Dass die Tagesschau weiterhin „bewegte Bilder“ vom Bundesliga-Spieltag bringen wird. Genau das, was die Sportschau mangels Exklusiv-Rechten nicht dürfe. Deren Ergebnisdienst wolle er daher erweitern, wenn auch „gezwungenermaßen im höchsten Maße konventionell“ – was immer das heißen mag. Glückwunsch trotzdem!