zahl der woche
: Der Leipziger Börsenhandel mit elektrischem Strom floriert

Hase und Igel

Das ist das Schöne an der Geschichte von Igel und Hase: Der mit den kürzeren Beinen ist immer schon da. So war es zu diesem Thema vor Jahresfrist an dieser Stelle zu lesen. Gerade nämlich war die Leipziger Strombörse an den Start gegangen, und zwar – der geneigte Leser wird es ahnen – mit kurzen Beinen. Nicht nur, dass deren erster Handelstag gleich mit einer Computerpanne begann. Experten trauten den Leipzigern auch kaum Überlebenschancen zu. In Deutschland ist nur Platz für eine Strombörse, so ihr Argument. Unzweifelhaft, welche das sein würde: Die große, von der deutschen Stromindustrie gegründete, die zwei Monate später in Frankfurt ihren Handel aufnahm.

Auch ein Jahr später ist die „kleine“ Leipzig Power Exchange (LPX) immer schon da. Punktlich zum Geburtstag wurden erstmals 300.000 Megawattstunden Strom in einer Woche umgesetzt – ein neuer Rekord in Zentraleuropa, der fast ein Drittel über dem Handelsvolumen der Frankfurter European Energy Exchange (EEX) liegt. Und während in Leipzig mittlerweile 64 Teilnehmer mit Strom handeln, sind es in Frankfurt nur 34.

Wenn zwei Strombörsen an den Start gehen, wird es Tote und Verletzte geben, hatte der Chef der Frankfurter Plattform, Hans Schweickhardt, seinerzeit prophezeit. Entsprechend lebhaft betonen die Sachsen, dass die Hessen auf Platz zwei stehen.

„Das Leipziger Handelssystem ist transparenter“, analysiert Felix Matthes vom Ökoinstitut den Erfolg. Zudem hätten die Sachsen schnell auf die Stadtwerke als Kundenstamm gesetzt. „Deren Agieren auf dem Markt ist sehr vielfältig.“ Die Bedeutung dieser Marktvielfalt als Standortvorteil habe der Hase aus Frankfurt schlichtweg unterschätzt.

Womit wir an dem Punkt landen, der den eigentlichen Wettkampf beschreibt: Energieerzeuger und -verbraucher geben heute ihre morgen produzierte oder benötigte Menge Strom auf einer Computerplattform ein. Aus Angebot und Nachfrage ermittelt sich der Preis. Nach diesem entscheiden die Börsianer dann, ob es sich lohnt, ein Kraftwerk in Spitzen- oder Teillast zu fahren. Der Nutzen? Nun, Stadtwerke können derart etwa ihre Wettbewerbsfähigkeit – und damit ihre Unabhängigkeit – sichern.

Doch auch wenn der Leipziger Igel derzeit ganz gut im Rennen liegt: Entschieden ist noch nichts. Frühestens in drei Jahren wird er die Gewinnzone erreichen. NICK REIMER