PDS wieder mal eingemauert

Die Genossen werden verdächtigt, unbelehrbare Kommunisten zu sein, die sich nicht für die Mauer entschuldigen wollen. Schuld daran ist ausgerechnet ein Österreicher: PDS-Vize Peter Porsch. Der Reformer sagt über sich: „Ich bin jetzt der Dumme“

von JENS KÖNIG

Der Marsch der PDS auf Berlin schreibt immer bizarrere Geschichten. Eben noch als seriöser Koalitionspartner in der Hauptstadt gehandelt, ist aus der Partei über Nacht wieder ein Haufen unbelehrbarer Kommunisten geworden, der sich nicht für die Mauer-Toten entschuldigen will. Und dafür verantwortlich ist Peter Porsch. Ein Österreicher. Ausgerechnet. Porsch, stellvertretender PDS-Chef, weiß, welchen Dienst er seiner Partei erwiesen hat. „Ich bin jetzt der Dumme“, sagt er.

Porsch hat für eine Broschüre der sächsischen PDS-Landtagsfraktion einen Text geschrieben, in dem er den Bau der Berliner Mauer historisch zu erklären versucht. Darin steht, neben vielen anderen, auch der Satz, wonach die Mauer 1961 den Frieden in Europa und der Welt erhalten hat. Porsch ließ seinen Text vorab per Pressemitteilung verbreiten und landete damit am Donnerstag zwangsläufig in Bild. Nur, dort blieb von seinem Text lediglich eine einzige Bemerkung übrig, nämlich die mit der Mauer und dem Weltfrieden. Und schon hatte die PDS ein Problem. Die politische Konkurrenz tobte. Aber nicht nur die. Auch die eigene Parteiführung war verstimmt. Parteichefin Gabi Zimmer, Fraktionschef Roland Claus, Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, die Berliner Landesvorsitzende Petra Pau – sie alle wussten, dass ein solcher Ausrutscher in Berlin ein mittleres Beben auslösen würde. Ihnen war klar, dass wieder die Zweifel wachsen würden, ob man die PDS an die Regierung lassen dürfe. Und das ausgerechnet einen Tag vor dem Sonderparteitag der Berliner PDS, der gestern Abend eine Resolution mit klaren Worten zur DDR-Vergangenheit verabschieden wollte.

Also hat sich die PDS-Spitze mit scharfen Worten gegen Porsch gestellt. Der Bau der Mauer sei durch nichts zu rechtfertigen, sagte Zimmer. Man könne dabei nicht die Friedenssicherung in den Vordergrund stellen, meinte Claus. Die PDS hätte zuerst der Opfer zu gedenken.

Porsch sieht das eigentlich genauso. Auch er schrieb in seinem Text, dass die Opfer der Mauer durch nichts zu rechtfertigen seien, und er forderte seine Partei auf, politische Konsequenzen aus 1961 zu ziehen. Er, der Reformer und Realpolitiker, plötzlich ein unbelehrbarer Kommunist? Porsch fühlt sich missverstanden, aber er weiß auch, dass er einen Fehler gemacht hat. „Dass mein Text als Ganzes wahrgenommen wird, darauf kann ich jetzt nur noch als Philologe hoffen, nicht aber als Politiker“, sagt Porsch. Die anderen Parteien hätten doch nur darauf gewartet, auf die PDS einschlagen zu können.

Obwohl Österreicher, hat Porsch die Mauer selbst erlebt. Der gebürtige Wiener ging vor gut 25 Jahren der Liebe zu einer jungen Frau wegen, aber auch aus Überzeugung in die DDR. Später wurde er in Leipzig Germanistik-Professor. Heute ist der 56-Jährige, der seine politischen Gegner gern mit seinem Wiener Schmäh überzieht, der anerkannte Oppositionsführer im sächsischen Landtag. „Einen Ablasshandel um die Mauer darf es nicht geben“, findet er. Niemandem wäre geholfen, wenn sich die PDS für die Mauer entschuldigen würde und glaubte, die Sache wäre damit aus der Welt. „Der Mauerbau muss verurteilt werden“, so Porsch. Aber man könne um die Toten trauern und trotzdem darauf hinweisen, unter welchen historischen Bedingungen die Mauer entstanden ist.

Genau das möchte auch die PDS-Führung. Anfang Juli wird der Bundesvorstand eine entsprechende Erklärung verabschieden. Mit der Stimme von Peter Porsch.