Ratternde Laubsäge

■ Neue Musik, verzweifelt gesucht: Sleep Dirt spielten am Freitag im Lagerhaus

Es muss jetzt wohl schon über fünf Jahre her sein, dass ich die CD einer Band namens Sleep Dirt in die Hände bekam. Die Musik war auf seltsame Weise verdrechselter Metal der so genannten progressiven Sorte, und im Booklet gab's noch eine seltsam angeberische Referenz an verflossene Liebschaften zu finden.

Wenig später war dann zu vernehmen, dass Sleep Dirt nun mit zwei Streichern aufträten. Nicht eben unbedingt ein Anlass, diese Auftritte wahrzunehmen, zumal nicht für Menschen, die der vermeintlichen Aufwertung vermeintlich satanischer Takte durch vermeintlich höher stehendes Musikgut ohnehin skeptisch gegenüber standen und stehen.

Zwar waren Jon Lords Experimente in „Rock trifft Klassik“ durchaus wegweisend. Zwar war die Idee der Schweizer Gothic-Metal-Erfinder Celtic Frost, eine Opernsängerin auf ihre morbiden Post-Blackmetal-Kompositionen singen zu lassen, seinerzeit wirklich grandios. Aber sonderlich ergiebig erschien das Konzept seither nicht.

Die Ankündigung, Sleep Dirt würden nun in Weiterentwicklung des altbackenen Konzeptes auch Elemente aus Neuer Musik und „musique concrete“ verarbeiten, nährte immerhin eine gewisse Neugierde, inwieweit sich die Ambition im Resultat niederschlagen würde.

Neue Musik (geschweige denn konkrete Musik) war indes trotz verzweifelter Suche nicht zu finden. Die Cover-Versionen von Rainbow, Deep Purple und Johann Sebastian Bach indizierten den Stand der stilistischen Entwicklung. Im Ergebnis also wieder der Ansatz, Rockmusik mit dem höheren instrumentaltechnischen Standard, „klassischer“ Musik aufzuwerten. Dieser Standard geriet der Band indes an einigen Stellen eher zum Hindernis, denn als musikalisches Mittel, wenn sich die Musiker durch ungerades Taktgefüge förmlich kämpften – nicht immer erfolgreich.

Dabei gab es durchaus schöne Momente,in denen es gelang, die Möglichkeiten von Rocktrio plus Streichern auszuloten, wo es eher um Atmosphäre als um technische Kabinettstückchen ging. Das konnte immer dort geschehen, wo von der technizistischen Absolvierung ratternder Unisono-Passagen und wie mit der Laubsäge geschnittenen symphonischen Strukturen Abstand genommen wurde. Dort also, wo mit den eigenen Mitteln angemessen musiziert wurde.

Mut kann dieser Band auf jeden Fall zugesprochen werden, allerdings ist Mut natürlich nur dann einer, wenn er dem Risiko eines nicht geringen Scheiterns trotzt, das somit auch eintreten können muss. Der Maßstab der Beurteilung dessen liegt natürlich neben Amboss und Steigbügelchen der Hörenden, die am Freitag nicht zahlreich waren, aber immerhin Gefallen an der Darbietung fanden, so dass die Band sich nach dem regulären Set zweimal auf die Bühne zurückbitten ließ. Andreas Schnell