Die Gefühle der Maschinen

■ Radio Bremen bringt in dieser Woche im Sendesaal nie gesehene und nie gehörte (Musik-) Instrumente zum klingen und zeigt dazu weitere Seltenheiten

Motorsirenen, Glasglocken, Baumstämme, Paddelruder, Schneeschieber, Hockeyschläger und Messertisch: vom 18. bis zum 22.6. werden aus diesen Gegenständen Musikinstrumente. Das kleine Festival von Radio Bremen heißt „Seltenheiten auf ungewöhnlichen Instrumenten“, und die Männer und Frauen, die sich die Musik ausgedacht haben, sind keine SpinnerInnen, sondern ausgebildete und zum Teil namhafte KomponistInnen: andere sind bildende KünstlerInnen.

Ken Butler ist bildender Künstler und Musiker, seine Installationen über klingende Alltagsgegenstände stehen heute in vielen Museen der Welt. Neben seinen Konstruktionen aus Hämmern, Hockey-, Golf- und Tennisschlägern baut er Cello-ähnliche Instrumente aus Besen. Oder Volker Staub, der Komposition studiert hat und über den Einfluss von John Cage seit 1981 Schlaginstrumente aus Holz, Fell, Metall und Glas baut. Auch der Schwede Johnny Axelsson hat Schlagzeug studiert. Schon während des Studiums experimentierte er mit neu erfundenen Klängen. Von ihm wird ein Konzert für Stahlsaiten, Schlagzeug und Witterungsinstrumente zu hören sein.

Stephan Froleyks hat als Komponist sogar eine Professur an der Musikhochschule in Münster. Er kommt nach Bremen mit Stücken für „verschiedene Hölzer“, für „Saitenwanne“, für „geschweifte Tuba“: Da wird man schon hingehen müssen, um sich darunter etwas vorstellen zu können. Bob Rutman ist Bildhauer, arbeitet heute meist als Klangerfinder und Instrumentenbauer und hat ein Schwergewicht auf Performances mit TänzerInnen gelegt. Die Koreanerin Moon Suk hat mehrere Ausbildungen: Sopranistin, Schauspielerin, Malerin. Nachdem sie – als Schülerin von Elisabeth Schwarzkopf – zunächst in Europa klassische Konzerte und Oratorien gesungen hat, zog es sie in freie Künstlergruppen. Moon Suk wird eine Oper mit dem Titel „Eine unbekannte Zeit“ improvisieren.

Und ein „Theremin“ hat es wohl noch nie in Bremen gegeben: eine Erfindung des russischen Physikers Leon Theremin um 1920, ist es so eine Art Koffer mit einer senkrechten und einer waagerechten Antenne. Zum Klingen gebracht werden die sieben Oktaven (!) durch Bewegung der Hände, die jedoch das Instrument nicht berühren. „Das klingt wie eine Mischung aus menschlicher Stimme und singender Säge“, sagt die Organisatorin Marita Emigholz. Der US-amerikanische Komponist Percy Grainiger schrieb 1936: „Es ist meines Erachtens absurd, dass man im Zeitalter des Fliegens lebt und nicht in der Lage ist, Gleittöne und -kurven zu erzeugen. Maschinen, wenn adäquat konstruiert und adäquat für sie geschrieben, sind fähig zu Feinheiten des Gefühlsausdrucks, die unmöglich für einen menschlichen Ausführenden wären. Daher schreibe ich meine freie Musik für Thereminvox – das perfekteste der tonalen Instrumente“. Da lassen wir uns gerne überraschen! usl

Konzerte von heute, 18. Juni, bis zum 22. Juni jeweils um 20 Uhr im Sendesaal von Radio Bremen, Bürgermeister-Spitta-Allee 45.