american pie
: NBA-Champion träumt von einer neuen Dynastie

Wer stoppt die Lakers?

War’s das jetzt für die nächsten Jahre?, lautet die bange Frage, die sich die Konkurrenten der Los Angeles Lakers stellen, nachdem das Team mit einem 108:96 im fünften Finalspiel gegen die Philadelphia 76ers seinen NBA-Titel in überzeugender Manier verteidigt hat. Erfolgreiche, eingespielte Basketballteams neigen nämlich dazu, ihre Triumphe schier unaufhörlich zu repetieren. Das zeigten die Boston Celtics, die von 1957 bis 1969 elf Meisterschaften gewannen, acht davon hintereinander, das zeigten die Celtics und die Lakers in den Achtzigern, die sich immerhin abwechselten, das zeigten Michael Jordan und seine Chicago Bulls in den Neunzigerjahren mit sechs Titeln, und das zeigen in anderem Maßstab auch die Basketballer von Alba Berlin, die gerade ihre fünfte deutsche Meisterschaft in Folge einfuhren, nachdem Bayer Leverkusen dasselbe Kunststück zuvor gar siebenmal schaffte. In der NBA droht jetzt eine neue Lakers-Dynastie, nachdem das Team von Phil Jackson so souverän wie noch nie eine Mannschaft durch die Play-offs gepflügt war.

Nur als winziger Schönheitsfehler stellte sich am Ende die Heimniederlage heraus, die die tapferen 76ers den Kaliforniern im ersten Match der Endspielserie zugefügt hatten. Als einer, der nichtsdestotrotz schmerzt. Statt als Erste ungeschlagen die gesamten Play-offs zu beenden, mussten die Lakers mit der Ehre vorlieb nehmen, dies als Erste ohne Auswärtsniederlage bewerkstelligt zu haben. In drei hart umkämpften Partien bei den Philadelphia 76ers setzten sie sich am Ende ebenso durch, wie sie es zuvor in den gefürchteten Hallen solcher Teams wie Portland Trail Blazers, Sacramento Kings und San Antonio Spurs geschafft hatten. Vor allem Letztere zuvor als wesentlich stärker eingeschätzt als sämtliche Teams aus dem Osten und dann doch längst nicht so zäh und kampfeslustig wie der Champion der Eastern Conference mit seinem kleinen, aber unbeugsamen Energiebündel Allen Iverson.

Man könnte einwenden, dass es vielleicht etwas anders gelaufen wäre im Finale, wenn nicht drei Spieler der Sixers „mit gebrochenen Knöcheln“ gespielt hätten, wie Coach Larry Brown stolz kundtat, wenn Allen Iversons Körper nicht am Ende ausgesehen hätte, als habe er sich mit einer Horde Preisboxer angelegt, und wenn die Schiedsrichter etwas mehr darauf geachtet hätten, was Shaquille O’Neal mit seinen Ellenbogen und Schultern treibt. Doch am Ausgang der Serie hätte all das wohl nichts geändert. Wenn die Lakers einmal in Führung lagen, waren sie kaum noch einzuholen, da sie über eine Fülle von Optionen verfügen, Punkte zu erzielen, wenn sie diese dringend benötigen. Sieben Punkte Rückstand schien die magische Grenze, über die die Sixers nie herauskamen. Wenn die Stars O’Neal und Kobe Bryant nicht kontern konnten, hagelte es eben Dreier von Robert Horry, Derek Fisher, Brian Shaw oder Rick Fox, und der alte Abstand war schnell wiederhergestellt.

Wenn jemand die Lakers zerstören kann, dann am ehesten sie selbst. Anfang des Jahres waren sie nahe daran. Der Egoismus von Kobe Bryant, seine Rivalität mit O’Neal drohten das Team zu sprengen, und der 22-Jährige sprach zwei Monate lang fast kein Wort mit seinen Kollegen. Ebenso wie Iverson in Philadelphia, dessen Abgang zu den Los Angeles Clippers nur wegen der Weigerung des ebenfalls vom Transfer betroffenen Matt Geiger scheiterte, stand Bryant dicht vor einem Wechsel zu einem anderen Team. In den Play-offs war dies alles vergessen, Shaq und Kobe präsentierten sich nicht nur als verheerendes Duo für jeden Gegner, sondern auch so einträchtig, als wären sie die Hauptdarsteller in einem Remake von „Zwei Freunde fürs Leben“.

Das war beim letzten Titelgewinn nicht anders gewesen, diesmal jedoch soll kein neuer Zwist künftige Lakers-Triumphe gefährden. „Ich hoffe, wir müssen so was nicht noch mal durchmachen“, meinte Bryant, dessen Wandel zum Mannschaftsspieler die Versöhnung bewirkt hatte. Drei Meisterschaften fehlen den Lakers noch zum Rekord der Celtics, die insgesamt sechzehn Titel gewannen, eine benötigt Phil Jackson noch, um mit den neun von Bostons Trainerlegende Red Auerbach gleichzuziehen. Horace Grant, 35-jähriger Lakers-Veteran, der schon mit Michael Jordans Bulls dreimal Champion war, meint sogar: „Mit Shaq und Kobe, bei deren Alter, gebe ich ihnen noch acht-, neunmal.“

Dass er solchen Prognosen durchaus aufgeschlossen gegenübersteht, legte Shaquille O’Neal sogleich dar. „Ich bin froh, aber auch gierig“, sagte der 29-Jährige, „jetzt mache ich eine Woche Urlaub, dann wird wieder trainiert.“ Vermutlich Freiwürfe, der einzige schwache Punkt, den das Spiel des zum besten Finalakteur gewählten Centers nach wie vor aufweist. „Die erste Meisterschaft diente dazu, den Affen von meinem Rücken zu bekommen“, kündet Shaq von ungebremstem Tatendrang, „alle, die ich von jetzt an hole, sollen der Geschichte meinen Namen aufstempeln.“

Für die anderen Teams geht es jetzt darum, Mittel zu finden, ein Lakers-Abonnement auf den Titel zu verhindern. Im letzten Jahr versuchten dies vor allem die Portland Trail Blazers, die mit Blick auf Shaq Dale Davis und Shawn Kemp holten. Sie scheiterten kläglich. Philadelphias Schachzug, Dikembe Mutombo als Widerpart für O’Neal aus Atlanta abzuwerben, erwies sich zwar als Glücksgriff, genügte aber am Ende auch nicht, weil die Unterstützung fehlte. Vorschläge, wie es funktionieren könnte, nimmt jedes NBA-Team dankbar entgegen. Die Frage, ob vielleicht sogar Michael Jordan höchstselbst noch einmal die Mission „Stoppt die Lakers“ angeht, harrt weiter ihrer Beantwortung. Zunächst mal hat sich der Göttliche beim Training zwei Rippen gebrochen und die Entscheidung aufgeschoben.

MATTI LIESKE