„Auch die Zukunft hat eine Zukunft“

■ Am Lichthaus ist heute öffentlicher Drehtag: Katya Sander und Alex Villar produzieren den wohl ersten Science-Fiction-Film über Bremens derzeit spannendsten Stadtteil Gröpelingen

In den Filmen „Blade Runner“ oder „Das fünfte Element“ kommen die offenbar schwindelfreien Menschen mit fliegenden Autos ganz gut voran. Gegen diese Science-Fiction-Filme ist die Fortbewegung anno 2001 unter anderem in Bremen-Gröpelingen noch etwas beschwerlicher. Von der Rollstuhlrampe am Lichthaus führt eine Baugerüst-Treppe hinauf zu einem Fenster in der sehr hoch gelegenen ersten Etage des Gebäudes. Beim Raufgehen werden einem die Beine flau. Trotzdem soll dieser Ort am heutigen Dienstag der Schauplatz für die Massenszene des wohl ersten Science-Fiction-Films in und über Gröpelingen sein: „Outerppace“ oder die Kolonisierung des Weltraums zwischen gigantischer Amüsierpark-Baustelle und so genanntem sozial benachteiligtem Stadtteil.

Katya Sander und Alex Villar arbeiten schon seit Tagen daran. Bevor sie auf Einladung des derzeitigen Lichthaus-Kurators Horst Griese nach Bremen kamen, hatten die beiden Regisseure, Dokumentare und KünstlerInnen null Ahnung von Bremen und vor allem von Gröpelingen. Dafür brachten die Kopenhagenerin Katya Sander und der New Yorker Alex Villar den „Schlüssel“ mit, um mit den GröpelingerInnen ins Gespräch zu kommen: gemeinsame Erinnerungen an „Star Wars“, „Star Trek“ und jede Menge andere Science-Fiction-Filme für den Ort, an dem die Zukunft gerade gebaut wird.

Seit der vergangenen Woche haben die beiden mit sprühendem Engagement ans Werk gehenden KünstlerInnen die Gegend erkundet und zahllose Interviews geführt. Sie waren in der Moschee, erkundeten die Space-Park-Baustelle, sprachen mit BremerInnen deutscher, türkischer und anderer Herkunft. Und sie fanden mit ihrem kleinen Hilfsmittel etwas heraus, was wohl keine Wissenschaftlergruppe herausfinden würde: eine Vision von Zukunft.

„Bei der einfachen Frage nach der Zukunft kamen einfache und ganz praktische Antworten“, erzählt die in Architektur und Medienkunst ausgebildete Katya Sander: Wünsche nach weniger Hochhäusern, dem Zugang zur Weser, nach Verkehrsberuhigung oder – ganz im Gegenteil – der Abschaffung von Holperschwellen auf den Straßen. Doch mit der Aufforderung, sich an Science-Fiction-Filme zu erinnern, sprudelte die Fantasie. „Die Menschen wurden zu Autoren ihrer Zukunft“, sagt Alex Villar, der ansonsten durch Kunstaktionen den Unwirtlichkeiten von Architektur auf den Zahn fühlt: Sie bauen ein Kanalsystem wie in Amsterdam, legen den Verkehr unter die Erde und locken mehr Touristen nach Gröpelingen. Und, das sagten unter den Befragten vor allem Mädchen: Die Menschen sind sehr viel toleranter. Schließlich gäbe es auch keine zwielichtigen Kneipen mehr: Alle Cafés hätten bis zum Boden reichende Fenster.

Sander und Villar wollen diese direkt der Bevölkerung abgelauschten Entwürfe einer idealen Stadt in ihren Film einmontieren. Er wird eine Art „The making of ...“ aus Interviews und anderen dokumentarischen Szenen sowie aus Science-Fiction-Zitaten, der Ende des Jahres aufgeführt werden soll. In diesem Dokument aus dem Jahr, als der Space Park gebaut wurde, berichten GröpelingerInnen von ihrem gespaltenen Verhältnis zum Großprojekt.

Da leben neben deutschen auch arbeitslose BremerInnen türkischer Herkunft im Stadtteil und sehen, dass aus der Türkei angereiste Bauarbeiter an der Riesenbaustelle mitbauen. So haben Villar und Sander Befürchtungen zu hören bekommen, nur am Rande des Zufahrtsweges zum Space Park zu liegen. Und mindestens genauso groß ist die schlichte Hoffnung auf neue Jobs, wenn das Einkaufszentrum mit Entertainment-Anteil die erwarteten Besucherströme anlockt.

Mit der heutigen Aktion im Lichthaus kommt zu den Social Studies noch weiteres Material hinzu. Alle Interessierten sind eingeladen, die Zukunft im Lichthaus mitten im Zentrum zwischen altem und neuem Gröpelingen wie BauarbeiterInnen, AstronautInnen oder Aliens zu erkunden. Mindestens eine entwaffnend charmante Aussage hat das Künstlerduo schon auf Band: „Der Space Park kann gar nicht scheitern“, hat ein Interviewter gesagt. „Sein Thema ist die Zukunft, und eine Zukunft gibt es immer – auch in Zukunft.“ ck

Öffentlicher Drehtag für den Film „Outerplace“ heute, Dienstag, von 15 bis 21 Uhr in und um das Lichthaus, Use Akschen 4. Straßenbahnhaltestelle (Linie 3) Use Akschen.