Kaum mehr als ein Saufgelage

Im Prozess wegen sexueller Nötigung gegen den Schauspieler Klaus Löwitsch wurde der Angeklagte gestern zu einer Geldstrafe von 27.000 Mark verurteilt – wegen einer fahrlässigen Straftat im Vollrausch. Gutachter stellte 5,15 Promille fest

von KIRSTEN KÜPPERS

Am Ende wurde dem Argument Alkohol stattgegeben. Die rauschhafte Wirkung von mehreren Flaschen Burgunder, Weißwein und 16 doppelten Grappas war an allen fünf Verhandlungstagen des Prozesses gegen den Schauspieler Klaus Löwitsch umfangreich erörtert worden. Und das wegen des Vorwurfs einer sexuellen Nötigung zusammengekommene Gericht hatte einen wahrlich tiefen Einblick in die innige Beziehung von Künstlern und Alkohol erhalten.

Ob Löwitsch an jenem Abend im Februar vergangenen Jahres in der Gaststätte „Emil“ in Berlin-Mitte gelallt hatte oder nicht, hatten die Zeugen ausführlich vor dem Amtsgericht Tiergarten erklären müssen; ob Löwitsch noch eine Treppe gerade hochgehen konnte oder nur schwankend; ob er im Gastraum leicht eingedämmert sei oder einem schweren Sack glich – all diese Zustandsbeschreibungen einer Betäubung mündeten in einer nüchternen Zahl: 5,15 Promille.

Diese Alkoholmenge soll der 65-jährige Löwitsch zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat im Blut gehabt haben, sagte gestern der psychiatrische Sachverständige. Und damit schnurrte auch der Vorwurf der sexuellen Nötigung und Körperverletzung für die Staatsanwaltschaft zu einer „fahrlässigen Straftat im Vollrausch“ zusammen. Löwitsch wurde gestern zu einer Strafe von 27.000 Mark verurteilt. Der Angeklagte quittierte den Richterspruch mit einem Nicken.

Zu Ende ging damit ein Verfahren, das indes mehr offen legte als nur die Trinkgewohnheiten eines bekannten Serienschauspielers. Löwitsch war schließlich vorgeworfen worden, nach einem Gaststättenbesuch die 38-jährige Schauspielerin Claudia W. angefallen, geschlagen und mit dem Satz „Ihr Ostbräute wollt und braucht das“ zwischen die Beine gegriffen zu haben. Blutergüsse und ein Gehörtrauma habe Claudia W. von dem Abend davongetragen. Eine solche Anklage ist keine Kleinigkeit.

Dementsprechend aufgeregt waren denn auch die Bemühungen aller Verfahrensbeteiligten, sich vor und während des Prozesses ins rechte Licht zu rücken. So hatte sich Claudia W. wiederholt mit ihren Vorwürfen an die Boulevardpresse gewandt. Löwitsch, der die Tat stets bestritt, hatte in Interviews geantwortet, wenn die Staatsanwaltschaft feministische Exempel statuieren wolle, dann bitte schön nicht an ihm.

Die Strategie seines Anwalts war es demnach auch gewesen, Claudia W.s Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Dafür grub er eine Vergewaltigung in ihrer Jugend aus, setzte die Ladung des entsprechenden Zeugen durch und warf ihr „sexuelle Obsessionen“ vor. Von einer „Geltungssucht, die zu Anschuldigungen aus Lebensunzufriedenheit“ führe, sprach der Anwalt im Plädoyer. Sein Mandant solle freigesprochen werden.

„Geltungsdrang“ bescheinigte dagegen die Oberstaatsanwältin den Künstlerkollegen von Löwitsch, die als Zeugen aufgetreten waren. Sie hätten sich abgesprochen und seien unglaubwürdig. Als Indizien für Löwitschs Schuld wertete sie vielmehr einen Scheck über 2.000 Mark, den er am Tag nach dem Gaststättenbesuch Claudia W. hatte zukommen lassen. Das Gericht war dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft gefolgt.