Berlin bald noch bankrotter

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung warnt vor einem finanziellen Kollaps. Nur der Bund kann noch helfen. Übergangssenat präsentiert erste Einsparungen. Ausbau der U 5 verschoben

von ANDREAS SPANNBAUER

Auch unter dem rot-grünen Übergangssenat steht Berlin weiter vor dem finanziellen Zusammenbruch. Zu dieser Einschätzung kommt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem neuen Wochenbericht (www.diw.de). „Finanzpolitischer Spielraum, um eigenständig die Wirtschafts- und Steuerkraft Berlins zu erhöhen, besteht nicht“, schreiben die Experten. Allein im laufenden Jahr erhöhe sich die Neuverschuldung des Landes auf über zehn Milliarden Mark, das Volumen des Landeshaushalts beträgt rund 40 Milliarden.

Den Prognosen zufolge wird Berlin im Jahr 2005 von allen Ländern und Gemeinden in Deutschland mit Abstand am höchsten verschuldet sein. Der Schuldenberg der Stadt wird dann auf rund 100 Milliarden Mark angewachsen sein, das sind rund 29.500 Mark pro Einwohner. Berlin werde nicht einmal mehr genügend Geld für dringend notwendige Ersatzinvestitionen haben. Das Fehlen von Mitteln zur Förderung der Wirtschaft werde im erheblichen Ausmaß dämpfende Effekte auf die regionale Nachfrage und den Arbeitsmarkt haben.

Die Ursachen für die finanzielle Schieflage sieht das DIW in den riesigen Integrationslasten nach dem Mauerfall, dem schnellen Rückzug des Bundes aus seiner finanzpolitischen Verantwortung für das frühere Westberlin und der Erosion der Wirtschaftskraft. Es sei begründet, dass Berlin wegen seiner Hauptstadtfunktion einen höheren Finanzbedarf reklamiere, heißt es. Zudem sei die jährliche Neuverschuldung von 11 Milliarden 1995 auf fünf Milliarden im Jahr 2000 reduziert worden. Trotzdem sei in Berlin der Tatbestand einer Haushaltsnotlage wie im Saarland oder in Bremen gegeben. Beide Länder hatten vor dem Bundesverfassungsgericht finanzielle Hilfen des Bundes eingeklagt. Die Mittel, die bisher von der Bundesregierung für Berlin zur Verfügung gestellt worden seien, glichen aber eher „einem Tropfen auf dem heißen Stein“. Das Institut rät dem Senat daher, Geld von Bund zu beantragen, sei es durch direkte Verhandlungen oder Anrufung des Bundesverfassungsgerichts.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) schloss dagegen im Anschluss an die erste Sitzung des neuen Senats eine schnelle Beantragung von Bundesergänzungszuweisungen aus. „Wir sind angetreten, um die Probleme des Landes selbst zu lösen“, sagte Wowereit. Berlin müsse seine Hausaufgaben machen. Erst dann wolle er in Verhandlungen mit der Bundesregierung treten, um zu prüfen, welche Aufgaben originäre Bundesangelegenheiten seien. Eine Verabschiedung des Haushalts für 2002 lehnte Wowereit ab. Dafür gebe es kein Mandat der Bevölkerung. Der noch von der großen Koalition bereits ins Parlament eingebrachte Nachtraghaushalt werde aber nicht zurückgezogen. Gegebenenfalls wolle der Senat eine Nachschiebeliste einreichen. Derzeit überprüfen alle Verwaltungen die von ihnen eingereichten Sparvorschläge. Wowereit: „Es darf auch mehr sein.“ Der Senat genehmigte eine Reihe von Sparmaßnahmen. Wie erwartet wurde der Ausbau der U-Bahn-Linie 5 für eine unbestimmte Zeit eingestellt. Dadurch wird der Landeshaushalt um jährlich 100 Millionen entlastet. Finanzsenatorin Christiane Krajewski (SPD) soll nun die Bundesregierung dazu bewegen, auf die Rückzahlung der bisher erteilten Bundeszuschüsse zu verzichten. Außerdem garantierte der Senat die notwendige Kapitalaufstockung der Bankgesellschaft Berlin. Das Land werde den Forderungen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen nachkommen. Am Abend wollte Wowereit mit dem Vorstandschef der Bankgesellschaft, Wolfgang Rupf, über die Sanierung des maroden Geldinstituts sprechen. Dabei sollte unter anderem der Verkauf der zur Bankgesellschaft gehörenden Weberbank gestoppt werden.