tamtürktür ... der wahre türke
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von BJÖRN BLASCHKE

Bursa – in der Türkei ein Örtchen; unter Türken ein Wörtchen – und zwar kein x-beliebiges: Wollte man es ins Deutsche übertragen, müsste man hierzulande eine Stadt namens Homosexuell finden – oder eine, die zumindest für alles steht, was irgendwie damit assoziiert wird. Schwul wäre auch ein schöner Städtename. Oder Tunte. Oder Tuntenhausen. Ich habe allerdings Homosexuell gewählt, weil ich mich eines Begriffes bedienen wollte, der in seiner Urbedeutung neutral und unerotisch ist – im Gegensatz zum türkischen Adjektiv bursa.

Wer mir bis hierher nicht folgen konnte, dem sei jetzt explizit erklärt, dass im Türkischen mit dem Wörtchen bursa Männer belegt werden, die homosexuell sind, und dass dabei verschiedene Töne mittröten. Genau diese Töne flötete mir einst ein Barkeeper ein, der im gemütlichen Istanbuler Hotel „Büyük Londra“ arbeitete. Bei meinem ersten Raki hatte ich ihm erzählt, dass ich am nächsten Tag weiterreisen wollte – eben in das etwa drei Autostunden entfernte, südlich von Istanbul gelegene Bursa. Daraufhin musterte mich der Schankmann einige Sekunden lang, um mich dann zu warnen: Ich möchte aufpassen; es könne sonst durchaus sein, dass ich bursa aus Bursa zurückkomme; das sei schon vielen so ergangen ...

Den Raki-Schnaki ernster nehmend, als er es verdiente, fragte ich ihn, worauf das seiner Meinung nach zurückzuführen sei? Er erwiderte, dass er das noch nicht exakt habe erforschen können, jedoch drei mögliche Ursachen vermute: Erstens ließen alle großen Couture-Häuser dieser Welt im Umland der Stadt ihre Kleidung schneidern; Bursa sei ein Modeort, das Milano der Türkei. Zu viel Chic aber, das wisse ja jeder, verderbe die Mannschaft. Logisch auf jeden Fall, dass ein Großteil der türkischen Bursa-Comunity in Bursa wohne! Ja, dachte ich, tatsächlich „logisch!“

Doch da präsentierte er mir auch schon – zusammen mit dem nächsten Raki – seine zweite Bursa-macht-bursa-These: Unter dem Uludag, einem Berg in unmittelbarer Nähe der Stadt, vermuteten Geologen ein großes Uranvorkommen. Und dessen Strahlung habe heftige Wirkungen auf den Mann im Mann. Obwohl ich bereits zu diesem Zeitpunkt glaubte, nicht mehr richtig zu hören, ließ ich mir weiter nachschenken. Dabei beugte sich der Kerl über den Tresen und flüsterte die letzte seiner Thesen: Die Hauptattraktion von Bursa seien die Thermalbäder. Es gebe aber Menschen, die sich veränderten, wenn sie zu lange in dem heißen, schwefeligen Wasser herumlägen. Sie würden nicht hart wie Hühnereier, nein, sie weichten auf – auch innerlich.

An den Restabend erinnere ich mich nicht mehr, wahrscheinlich weil Raki eine ähnliche Wirkung hat wie alle heißen Thermen und die Unterwelt des Uludag zusammengenommen. Nur noch eines weiß ich: Im Sturz von der Barbank richtete ich ein letztes Wort an den türkischen Supermann in der intellektuellen Missionarsstellung: „Es lebe das fundamentalistische Bayern mit seinem Dorf Tuntenhausen!“