Der Blick geht in die Zukunft

Nach der Auftaktniederlage gegen Brasilien sollte der deutsche Fußball-Nachwuchs bei der U20-WM möglichst heute gegen Kanada gewinnen, um nicht vorzeitig die Koffer packen zu müssen

aus Córdoba TOBIAS SCHÄCHTER

Hans-Georg Moldenhauer hätte es vorausahnen müssen. Schließlich hat der Delegationsleiter der deutschen U20-Nationalmannschaft einen ganz besonderen Posten beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) inne, als Vizepräsident ist der Magdeburger für die Sparte „Zukunftsentwicklung“ zuständig, wofür seherische Fähigkeiten bestimmt nicht hinderlich sind. Vor der ersten WM-Partie der deutschen Fußball-Junioren gegen Brasilien hat Moldenhauer diese aber nicht bewiesen, hat nichts geweissagt von der zu erwartenden 0:2-Niederlage, sondern in den Gängen des noblen Hotels Holiday Inn, der Unterkunft der deutschen Mannschaft, munter einen auf Optimismus und Sieg gemacht.

Da war es nur gut, dass Uli Stielike schon im Vorfeld in die Bresche gesprungen war. Der DFB-Trainer hatte die Südamerikaner im Vorfeld des WM-Turniers in Argentinien gleich mehrfach beobachtet und dabei ganz offenbar eine Ahnung bekommen von dem, was seine Jungs erwarten würde. Jedenfalls hat Stielike die Erwartungen gegen die Zauberer vom Zuckerhut von Anfang an auf ein Minimum zurückgedimmt – und sollte damit Recht behalten. Was schließlich auch Zukunfts-Fachmann Moldenhauer zur Kenntnis nehmen musste, dies freilich nicht, ohne den Blick bereits erneut in die Zukunft zu richten. „Immer vorwärts“, riet Moldenhauer den geschlagenen deutschen Jungs am Tag nach der Auftaktpleite, ganz wie es ich für einen Zukunftspräsidenten gehört.

Ganz so ließ Uli Stielike die Parole allerdings nicht gelten. Er zog zunächst den Blick zurück vor und bat seine Schützlinge zum Videovortrag samt Fehleranalyse. So schrecklich viel gab es dabei eigentlich gar nicht zu sagen über die 90 Minuten bei winterlicher Kälte vor nur rund 2.000 Zuschauern im gähnend leeren Estadio „Chateau Carreras“ zu Córdoba. Der Südamerikameister war einfach besser, den Brasilianern genügte eine Halbzeit Zauberfußball, um dem deutschen Nachwuchs seine Grenzen aufzuzeigen. In diesen 45 Minuten zeigte der WM-Favorit, dass guter Fußball keine Hexerei ist, sondern ein Produkt aus der individuellen Klasse eines jeden Spielers und verwirrenden Positionswechsels in der Offensive, die die deutsche Abwehr ein ums andere Mal in schwere Verlegenheit stürzten. Die logische Folge dieser Überlegenheit in Halbzeit eins waren die zwei Tore des für die deutsche Abwehr scheinbar unsichtbaren Robert. Und so sehr sich der EM-Dritte in der zweiten Halbzeit mühte – was immerhin zur Feldüberlegenheit führte –, letztlich war gegen die Meister der Ball- und Körperbeherrschung kein Kraut gewachsen.

Zumindest einer im deutschen Lager wollte sich damit aber nicht abfinden. „In der ersten halben Stunde hatten wir die Hosen voll. Da war mehr drin“, schimpfte Uli Stielike; insgeheim hatte der DFB-Übungsleiter wohl doch mit einem Sieg der Seinen gerechnet. „Besonders enttäuschend ist“, wetterte Stielike, „dass wir unsere Nerven nicht im Griff hatten. Bei einer WM muss man abgeklärter auftreten. Schafft man das nicht, muss man nach Hause fahren.“

So weit ist es ja denn doch noch nicht, zumal Stielikes Botschaft ganz offenbar angekommen ist bei den Spielern. „Am Anfang hatten wir zu viel Respekt. Nach dem frühen Gegentor schlug der Respekt in Angst um“, beschrieb Kapitän Michael Zepek die Psychologie des Spiels, sich einig wissend mit seinem Trainer. Und jetzt? Zumindest den Mönchengladbacher Benjamin Auer traf die Lage nicht gänzlich unvorbereitet. „Auf diese Situation konnten wir uns ja vorher schon einstellen“, sagte Auer nach der vom Trainer prophezeiten Niederlage, das passende Rezept hat er auch schon parat: „Jetzt müssen wir halt gegen Kanada gewinnen!“

Das könnte heute (22 Uhr/live im DSF) durchaus eintreten, scheinen die Kanadier doch außer einem quirligen Julian de Guzman, der mit den Amateuren des 1. FC Saarbrücken gerade in die Verbandsliga Saar abgestiegen ist, nicht so sonderlich viel an höherer Fußballkunst bieten zu können. Was den kanadischen Trainer Paul James nach der desolaten Vorstellung seines Teams beim 0:3 gegen den Irak aber keineswegs daran hinderte, eine Prognose abzugeben, die doch recht mutig wirkt: „We can beat Germany“! Geirrt haben sich freilich schon ganz andere.