Die plötzliche Gier

Wer alles über Madonna wissen will, muss sich das etwas kosten lassen. Nur Nancy war wieder mal schlauer als ich

Spaß kostet. Zum Beispiel dieser Text. Er hat viel Geld gekostet, für Zeitungen, für Schallplatten, und für Max, das Magazin, in dem die Tipps für Brustvergrößerungen stehen. Dann waren da noch zig Stunden im Internet, zwei Fehlbestellungen bei eBay sowie eine Rechnung über vier Weißweinschorlen, denn die wichtigste Informantin wollte schließlich auch gut versorgt sein. Und das alles nur, damit sie herauskommt, die Wahrheit über Madonna.

Nachdem seit Wochen, Monaten, ach was, Jahren alle Welt nur noch von den vier Auftritten spricht, die die Queen Mom of Pop in der Berliner Max-Schmeling-Halle darzubieten sich bereit gefunden hat, wollte auch ich mal wieder schauen, was dran ist an Madonna. Da waren zunächst ein paar diffuse Bilder, seit letzten September das Album „Music“ herausgekommen war: „Don’t tell me“, dieses Country-&-Western-Stück mit dem Country-&-Western-Tanz, bei dem Madonna immer mit der Stiefelspitze in den Studiostaub drischt, da wird doch wohl dermaßen prima Country & Western getanzt, sagte eine Freundin und ließ sich im Café Einstein etwas „Römerquelle“ nachgießen. Der um einen Laternenpfahl gewickelte Sportwagen im Clip zu „What it feels like for a girl“ sah ihr dagegen ein bisschen bemüht nach einem Film von Guy Ritchie aus.

Doch das war’s dann schon mit den News zum Superstar, die so neu auch wieder nicht waren. Der Rest der never ending story um Guy Ritchie, das herbeigeheiratete Schottentum der Madonna Louise Veronica Ciccione oder die Ruhe nach dem späten Sohn – „Rocco hat mein Leben verändert“ – blubbert in den Reagenzgläsern von „explosiv“, Daily Mail, stern oder bei Susann Atwell auf „Max-TV“ vor sich hin. Kann es daran liegen, dass plötzlich ALLE zu Madonna wollen, wenn sie in Berlin spielt? Tatsächlich sind die Konzerte ausverkauft, Nancy hat gleich zwei Karten besorgt, eine für sich und eine für 360 Mark, damit der Schwarzmarkt die Investition doppelt abwirft. BZ, Viva-TV und Max haben noch mehr Karten organisiert, die sie Tag für Tag in Gewinnspielen verhökern. Bei Viva musste man wissen, wie die letzten drei Platten von Madonna hießen, bei Max ging es, ganz sicher bin ich mir aber nicht mehr, um das Jahr ihrer ersten Brustvergrößerung.

„Bedtime Stories“, „Ray of Light“, „Music“ und 1989 – nirgends habe ich was gewonnen. Dafür setzte plötzlich so eine Gier ein nach noch mehr Madonna. Die Spezialsendungen auf MTV und Viva, bei denen man in dreistündigen Loops vom frühen Disco-Gekiekse über das divenhaften „Vogue“ bis in die Striptease-an-Stangen-getanzte „Music“ der Gegenwart geführt wurde und dann wieder zurück, hatten eine fiebrig in den Knochen juckende Nervosität hinterlassen. Wie krieg ich jetzt noch eine Karte? Nancy hatte den Preis mittlerweile verdoppelt. Im Internet schwirrten Tickets um die 240 Dollar herum, für einen Platz schräg hinter der Großbildleinwand beim Gig in Paris-Bercy. Für den Abend im Londoner Earl’s Court lagen die Preise bei 405 Dollar, aber wenig später stellte sich heraus, dass die britische Homepage, auf der die Karten zu haben waren, laut Webmaster längst geschlossen hatte. Stattdessen der Verweis auf eine US-Agentur, die online noch ein Paar Karten für die Konzerte am 25./26. Juli im New Yorker Madison Square Garden anbietet – „Block 2, Reihe D“ für 4.725 Dollar. Dabei wollte ich doch bloß ins Konzert und nicht ins Bett mit Madonna.

Deprimiert und ermattet blieb mir noch ein letzter Klick auf die Fanwebsite www.madonnarama.com. Dort fand ich zwar keine Karte für Berlin, aber sonst so ziemlich alles. Jetzt weiß ich, dass Madonna ihre „Drowned World Tour 2001“ in einem Schotten-Kilt mit „Drowned World“ beginnen wird, während sich die Bühne blau verfärbt, bevor bei der Bond-Parodie „Beautiful Stranger“ ihre Tänzerinnen Donna und Niki mit roten Punkrockperücken sich wild-sixties-mäßig im Go-go-Stil bespringen. Später läuft ein Geisha-Film, der zeigt, wie Madonna als Geisha verkleidet wird, weil sie danach als Geisha auf die Bühne kommt, um im schwarzen Kimono, den sie auch im Video trägt, einen Geisha-Song zu singen. Und nach diversen Stücken aus „Music“ zieht sie sich ihre Cowboy-Kluft an, um „Don’t tell me“ zu spielen. Ganz zum Schluss gibt es „Holiday“ plus „Music“ im grauen Pelzkleid, das wohl dasselbe ist, das sie zur Grammy-Verleihung getragen hat. Das klingt aufregend und ungewöhnlich, das klingt, als hätte ich es schon auf MTV gesehen. Am besten allerdings ist der Link „Gone Madonna“, wo das gesamte Konzert aus Barcelona als MP3-Datei zum Runterladen bereit steht – damit man zu Hause hören kann, was einen in der Max-Schmeling-Halle erwartet. Noch jemand ohne Karte?

harald fricke

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