Begrenzte Offenheit

Frauen dürfen über Frauen in Naturwissenschaften forschen. Nur nicht intern  ■ Von Sandra Wilsdorf

Warum so wenige Frauen Physik studieren? Das verstehen die meisten Physiker auch nicht. Tut ihnen doch keiner was, den Frauen, die Türen stehen doch weit offen. Dorit Heinsohn, Chemikerin, und Helene Götschel, Physikerin, sehen das anders: „Natürlich liegt es auch an dieser Verknüpfung von Männlichkeit und Naturwissenschaft, dass nur zehn Prozent der Physikstudenten weiblich sind“, glaubt Dorit Heinsohn.

Die beiden Wissenschaftlerinnen haben gerade einen mit 20.000 Mark dotierten Preis von der Universität Hamburg bekommen, weil sie sich seit fünf Jahren für Frauenförderung und -forschung in den Naturwissenschaften einsetzen. Gemeinsam mit anderen Naturwissenschaftlerinnen haben sie Vorlesungen zu Themen angeboten, die sich intersdisziplinär mit Geschlechtern und Naturwissenschaften auseinander setzen, „Technologiedynamik“ beispielsweise.

Mit dem Renommée und Geld des Preises wollen sie ihren Weg weiter beschreiten und am liebsten Frauenforschung in die Physik implementieren. Sie wünschen sich, dass der Gender-Ansatz, der die Perspektiven der Geschlechter thematisiert, in jede Vorlesung Eingang findet und sie ihr Büro im Fachbereich haben. Aber das geht den Physikern dann doch zu weit: „Sie sind doch keine Damen des Hauses“, wurde ihnen beschieden. Aber immerhin: Der neu angebotene Studiengang Gender Studies soll auch für PhysikerInnen ein mögliches Nebenfach werden. „Das ist schon ein großer Fortschritt“, freut sich Helene Götschel.

Aber eigentlich haben die beiden ein anderes Ziel: Die Wissenschaftlerinnen möchten mit ihrer Frauenforschung Teil der Physik sein, sie möchten sie verändern, Sie wollen darüber lehren und forschen, dass es bei jedem Experiment Entscheidungsoptionen gibt, darüber, was Wissenschaft für Männer und für Frauen bedeutet. Sie möchten die Wissenschaft durchlässiger zu den Sozialwissenschaften machen. „Aber das trifft ja nicht den Kern der Physik“, findet die Physik. Und deshalb musste Dorit Heinsohn ihre Doktorarbeit „Thermodynamik und Geschlechterdynamik“ im Fachbreich Erziehungswissenschaft anmelden. In der historischen Arbeit hat sie herausgefunden, dass Wissenschaftler um die Jahrhundertwende doch tatsächlich mit den Gesetzen der Thermodynamik erklärt haben, dass Frauen zwar wissenschaftlich arbeiten könnten, dann aber damit rechnen müssten, keine oder kranke Kinder zu bekommen.

Helene Götschel hat über deutsche Naturwissenschaftlerinnen- und Technikerinnenbewegungen promoviert und habilitiert über die Frage, welchen Einfluss die Zersplitterung der naturwissenschaftlichen Fächer auf deren geschlechtsspezifische Inhalte hat. Das macht sie im Fachbereich Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. „Wir müssen die Naturwissenschaften verlassen, um über sie arbeiten zu können“, sagt Dorit Heinsohn. Dabei wird doch jeder Frau spätestens dann klar, wenn sie allein unter Männern sitzt, dass das von ihr gewählte Fach selbstverständlich eine soziale und geschlechtsspezifische Dimension hat.