Die reinste Form von Optimismus

Mit offenen Armen, Ohren und Augen: Die amerikanische Nu-Metal-Band Incubus spielt im Razzle Dazzle

Metalbands tragen eine schwere Bürde in den heutigen Zeiten. Ein paar wenige wie Korn oder Limp Bizkit grasen all das schöne Grün ab und erreichen Superstarstatus mit nur einer Platte. Einer Band wie Crazytown wiederum gelingt, nachdem ihr Debütalbum schon vor vier Jahren erschienen war, mit der Ballade „Butterfly“ erst heute der Durchbruch zu den Schönsten und Erfolgreichsten. Doch eigentlich ist Punkfunkmetal oder Crossover am Ende und so out wie lange Haare.

Die oben genannten Gruppen haben ihren Durchbruch alle mit einer Ballade geschafft. Auch Incubus versuchen das jetzt mit „Drive“, der ersten Single ihres dritten Albums „Make Yourself“ und dem dazugehörigen Video bei MTV. Dabei gibt es die kalifornische Band Incubus aus dem Heimatstädtchen von Limp Bizkit, Calabasas, schon seit zehn Jahren. Damals wurden sie direkt von der Highschool weggesignt und brachten auf einem Indie-Label ihr Debütalbum „Fungus-Amongus“ heraus, das genauso klang wie die meisten Metalbands aus dieser Zeit, also doomig und hektisch, crossover eben.

„So whatever tomorrow brings I’ll be there – with open arms and open eyes, yeah“ singt Brandon Boyd auf „Drive“. Da hören wir, was wir nicht für möglich gehalten hätten: blanken Optimismus in seiner reinsten Form. Was hat die so verändert? Einen früheren Topact wie „Soundgarden“ gibt es mittlerweile auf den Wühltischen von Supermarktketten, und das nicht ohne Grund. Todesvisionen und Apokalypse-Szenarien sind absolut nicht mehr drin im heutigen Weltbild von jungen Leuten; sie wollen noch was vom Leben haben.

Wer schlechte Erfahrungen gemacht hat, behält sie für sich oder umschreibt smart deren Beliebigkeit und Überflüssigkeit. Über das Tourleben befragt, erzählt Brandon Boyd von „den vielen Menschen um dich herum, die sich in einem kontinuierlichen Abwärtsstrudel befinden und zeigen, wie schnell es mit einem bergab gehen kann im Leben“.

Und der Sänger von Crazytown meint dazu: „Ich wäre nie von den verdammten Drogen losgekommen, hätte sich nicht Antony Kiedis von den Red Hot Chili Peppers um mich gekümmert. Heute habe ich eine feste Freundin. Wenn sich auch nur ein Groupie nach einem Konzert in die Nähe meines Backstageraums traut, bekommt es einfach ein paar Veilchen. Bei den anderen in der Band ist es ähnlich.“

Das Rockstarleben wird zitiert, gelebt, aber nicht mehr ernst genommen. Was natürlich gesund ist und vernünftig. Sind Rockmusiker Mitte zwanzig heute alle so? Die Musik von Incubus jedenfalls ist softer geworden in den zehn Jahren ihres Bestehens. Sie klingt kompakt und steril, ihrer Ecken/Kanten/Stachel beraubt, sehr melodisch, und sie schmeichelt auch den Leuten, die vor kurzer Zeit noch von Metal überhaupt nichts wissen wollten. Sogar Streicher werden, wenn nötig, eingesetzt. Schöne neue kuschelige Welt.

PETER KÄMMERER

Heute Abend ab 21 Uhr, Razzle Dazzle, Mühlenstraße 12, Friedrichshain