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: Uefa lässt Blatter nicht aus den Klauen

Breitseite gegen den Fußballboss

Am liebsten würde sich Joseph Blatter, Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, im Moment tot stellen, bis der ganze Sturm an ihm vorübergezogen ist. Allein, seine Widersacher lassen ihn nicht. Mit deutlichen Worten bekräftigte Uefa-Präsident Lennart Johansson jetzt, dass sein Katalog von 25 Fragen an Blatter nach wie vor Gültigkeit habe und er vor allem „Transparenz in wirtschaftlichen Dingen“ von der Fifa fordert. Gleichzeitig ließ der Schwede erkennen, dass sein Vorstoß keinesfalls eine Einzelaktion, sondern einen Frontalangriff der Uefa auf ihren alten Feind Blatter darstellt, der Johansson 1998 unter dubiosen Umständen bei der Präsidentenwahl geschlagen hatte. „Ich bin erstaunt, dass der Fifa-Präsident unterstellt, die Fragen hätten nicht meine volle Unterstützung und die der europäischen Mitglieder der Fifa-Exekutive“, sagte Johansson. Nach kurzem Zaudern haben die Europäer offenbar beschlossen, den Konkurs der Vermarktungsfirma ISMM/ISL, der auch an ihnen nicht spurlos vorüberging, zum Sturz Blatters zu nutzen – möglichst schon beim Fifa-Kongress Anfang Juli in Buenos Aires, auf jeden Fall aber bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr.

Blatter, der in einer Pressekonferenz vergangene Woche nur wenige Antworten parat hatte, gab jetzt klein bei und will den kränkelnden Johansson, den er als Handlanger von Uefa-Generalsekretär Gerhard Aigner betrachtet, heute in Stockholm besuchen, um Auskunft zu geben über einige brisante Dinge. Zum Beispiel, warum die Fifa die Vermarktung der Klub-Weltmeisterschaft der brasilianischen Firma Traffic übertragen habe und was der brasilianische Verbandschef Ricardo Texeira damit zu tun hatte? Wo sich die verschwundenen 60 Millionen Dollar vom brasilianischen TV-Sender „O Globo“ befinden, die angeblich auf ein Schwarzgeldkonto wanderten? Wie hoch das Gehalt von Blatter und seinen engsten Mitarbeitern sei? Was der Fifa-Boss als besonders unverschämte Erkundigung empfand. Und dies alles, nachdem er gerade in einem Interview der Berliner Zeitung frohlockt hatte: „Wir sind wieder die Könige im Spiel mit den Marketingrechten.“

Dabei ist die Lage auch hier keineswegs so rosig, wie er sie darstellen möchte. Blatter, der sich jetzt möglichst weit von seinen alten ISL-Verbindungen zu distanzieren sucht, räumt zwar einen Verlust von rund 150 Millionen Schweizer Franken bei der Vermarktung der WM 2002 in Südkorea und Japan ein, ist aber optimistisch, dass die eiligst gegründete Marketing AG der Fifa diese Löcher weit gehend stopfen könne, vor allem durch die WM 2006 in Deutschland.

Solche Zukunftsvisionen setzen allerdings ein paar Dinge voraus. Zum Beispiel, dass die Kirch-Gruppe als Gegenleistung für die zu erwartende Übernahme der außereuropäischen Fernsehrechte einen Teil der Verluste trägt. Vor allem aber, dass die Marketingrechte an die Fifa zurückfallen. Das sei „juristisch wasserdicht“, meint zwar Blatter-Berater Guido Tognoni, doch am 4. Juli ist Gläubigerversammlung und einige der ISL-Geschädigten, darunter auch die Uefa, wollen die lukrativen Fifa-Rechte der Konkursmasse zugeschlagen sehen. Selbst wenn die Fifa die Rechte zurückerhält, könnte es außerdem sein, dass sie Entschädigungen an die ISL-Gläubiger zahlen muss, die nach Berechnungen des Schweizer Magazins Facts 200 Millionen Franken erreichen könnten: die Höhe des Profits, den die ISMM/ISL aus bereits abgeschlossenen Verträgen realisiert hätte und der jetzt der Fifa zugute käme, wenn er nicht in die Konkursmasse einfließt. Auch die drei großen Sponsorenverträge, die Blatter als Erfolg der neuen Fifa-Marketing AG feierte, waren von der ISL eingefädelt.

Eine weitere leidige Sache für Blatter ist die einstweilige Verfügung, welche Suzanne Dassler, Tochter des ISL-Gründers Horst Dassler, erwirkt hat. Der Fifa-Präsident darf nicht mehr behaupten, dass die Stiftung Nunca in Liechtenstein eine Stiftung der Familie Dassler sei. Im Antrag von Frau Dassler heißt es zudem, einziger Zweck der 1997/98 gegründeten Institution sei es gewesen, „im Zusammenhang mit dem Erwerb von Lizenzrechten (TV- und sonstige Vermarktungsrechte) für Sportveranstaltungen, wie zum Beispiel Fußball-WM, Schmiergelder an Verbandsfunktionäre zu zahlen“. Starker Tobak, der Korruption im Weltfußball, so Dassler-Anwalt Björn Ziegler zur taz, „anwaltlich bestätigt“. Eine „juristische Replik“ wurde von der Fifa angekündigt, getan hat sich bisher nichts. „Wir sind wahnsinnig gespannt“, meint Ziegler, der überzeugt ist, dass die Verfügung „Bestand haben wird“.

Gefunden hat die Fifa immerhin ein passendes Domizil für ihre Marketingagentur, die im Übrigen rund 70 ehemalige Mitarbeiter der ISL übernommen hat. Sie wohnt zur Untermiete in einem Zuger Haus, das der Kirch-Gruppe gehört.

MATTI LIESKE