Der Kranich stürzte nicht ab

Gegen Abschiebeflüge wollten sie protestieren: Tausende Online-DemonstrantInnen bombardierten die Lufthansa-Homepage pünktlich zur Hauptversammlung mit Anfragen. Sie verursachten nur leichte Störungen. Zufrieden sind die Initiatoren trotzdem

von WOLFGANG GAST

Nur etwas flügellahm kam der Kranich daher – die erste Online-Demonstration in Deutschland war aus Sicht der Initiatoren dennoch ein Erfolg. Pünktlich zum Auftakt der Kölner Hauptversammlung des Luftfahrtkonzerns griffen gestern Vormittag tausende auf die Webseiten der Lufthansa zu. Sie protestierten im Rahmen der Aktion „Deportation Class“ gegen die Beteiligung der Lufthansa an der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber.

Verwendet wurde eine „online protest software“, die den Webserver der Fluglinie mit Abfragen bombardieren und damit lahm legen sollte. Offline ging der Konzern aber nicht. Die Website, über die täglich rund 1.000 Buchungen getätigt werden, sei nur „in den ersten zehn Minuten schwer erreichbar“ gewesen, sagte Lufthansa-Sprecher Thomas Ellerbeck der taz. Auch die Live-Übertragung der Hauptversammlung im Internet sei nur kurz gestört worden.

150 antirassistische Initiativen von Ecuador bis Australien hatten vom Vorstand der Lufthansa ein Ende der Abschiebeflüge gefordert und an der Online-Demonstration teilgenommen. Sven Maier, Sprecher der Initiative „Libertad“, die gemeinsam mit der Gruppe „kein mensch ist illegal“ den Netzprotest organisierte, sagt anerkennend, dass sich die Lufthansa technisch „sehr gut vorbereitet“ und auf die Online-Angriffe „stets reagiert“ habe. Ein Erfolg sei es dennoch gewesen: „Wir waren unüberhörbar und unübersehbar – im Saal, vor dem Gebäude und im Netz.“ In der Hauptversammlung protestierten Demonstranten mit Transparenten und Zwischenrufen gegen die Abschiebungen. Vorstandschef Jürgen Weber musste seinen Bericht mehrfach unterbrechen. Ordner nahmen den Protestierenden die Transparente ab und warfen sie aus dem Saal. Auch vor dem Gebäude wurde demonstriert.

Während beide Seiten mit dem Verlauf der neuen Protestform einigermaßen zufrieden sind, rätseln Juristen, ob es überhaupt eine Demonstration im Internet geben kann. Die Argumentation der Initiatoren: Wenn man im Internet Geschäfte und alles Mögliche andere machen kann, dann ist es ein öffentlicher Raum. Und in einem öffentlichen Raum kann man auch demonstrieren. In den USA seien solche virtuellen Sit-ins längst etabliert. Das Justizministerium sieht das anders: „Eine Demonstration ist das Zusammentreffen von Personen und nicht von Bits und Bytes auf einem Server“, erklärt die Ministeriumssprecherin Maritta Strasser. Ob die Attacken auf die Lufthansa-Seiten strafbar sind, will sie nicht beurteilen. Das sei Sache der Gerichte. Die werden tätig, wenn sich Lufthansa für juristische Schritte entscheidet. Das, sagt Lufthansa-Sprecher Ellerbeck, „behalten wir uns weiter vor“.