Juristen: Keine Sondergesetze für Huren

Prostitution als normaler Beruf? Gestern zerpflückten Experten den Gesetzentwurf der Koalition gründlich

BERLIN taz ■ Ein ganz normaler Beruf sollte die Prostitution werden. Vor wenigen Wochen legte die Koalition einen Gesetzentwurf vor, der klarstellen will, dass Prostitution nicht mehr sittenwidrig ist. Und schmunzelnd malte man sich Tarifverhandlungen mit Hurengewerkschaften aus oder so etwas Praktisches wie sozialversicherte Bordellangestellte, denen das Arbeitsamt die Umschulung bezahlt.

Schafft der Gesetzentwurf diesen Paradigmenwechsel? Bei der Anhörung von Sachverständigen zu diesem Thema im Bundestag waren sich die Rechtsexperten gestern darüber keineswegs einig. Stolpern könnten die Gesetzgeber über ihren eigenen Kleinmut. So wenig wie möglich wollten sie ändern, um den moralischen Bedenken aus der SPD-Fraktion Rechnung zu tragen. Deshalb ließen sie mehrere Sondergesetze für Prostituierte unberührt. Der dickste Stolperstein: Paragraf 181a im Strafgesetzbuch. Dort heißt es im zweiten Absatz, dass bestraft wird, wer eine Person um seines Vermögensvorteils willen bei der Ausübung der Prostitution überwacht oder die Umstände bestimmt, unter denen die Prostitition ausgeübt wird. Das aber tun Bordellbesitzer, die die Koalition doch legalisieren möchte. Ihre Tätigkeit wäre immer noch illegal, wenn die Gesetzgeber den Paragrafen, wie geplant, nicht verändern. Damit, so die Anwältin Margarethe von Galen, „werden Sie keinen ehrbaren Menschen dazu bringen, ein Bordell aufzumachen“. Zumindest eine entsprechende Klarstellung müsse in der Begründung festgehalten werden.

Kritik erntete auch das merkwürdige Vertragsverhältnis, das die Koalition den Prostituierten verordnet. Der Vertrag zwischen Freier und Hure soll einseitig verpflichtend sein: Der Freier muss bezahlen, aber die Hure ist nicht verpflichtet zu leisten. „Das widerspricht dem Geist eines Vertragsverhältnisses“, merkte der Jenaer Zivilrechtler Eberhard Eichenhofer an.

Zudem stehe das europäischen Verbraucherrecht einem solchen Vertrag entgegen, ergänzte der Arbeitsrechtler Thomas Pfeiffer: „Eine Zahlungspflicht ohne Rechte ist europarechtlich verboten.“

Auch der Berliner Zivilrechtler Uwe Wesel fand den einseitigen Vertrag „nicht gut“. Für die Verträge von Prostituierten bräuchte man lediglich ein außerordentliches Kündigungsrecht. Dann könne eine Hure ohne Angst vor Schadensersatzklagen gehen, sobald man von ihr etwas verlangt, was sie nicht leisten will. Ansonsten sei das normale Dienstvertragsrecht ausreichend. Ohnehin, so betonte der Zivilrechtler Eichenhofer, seien Ansprüche auf Erfüllung von Dienstleistungen laut Zivilprozessordnung nicht vollstreckbar.

Vor der Sommerpause sollte der Entwurf eigentlich Gesetz werden. Bei so vielen Problemen allerdings, befürchtete nach der Anhörung die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, werde es aber wohl noch ein bisschen dauern. HEIDE OESTREICH