Wilhelmsburger Gift-Rinne

Besondere geologische Gegebenheiten machen belastetes Firmengelände am Veringkanal zum Risiko fürs Trinkwasser  ■ Von Gernot Knödler

Der alte Johann Haltermann hatte sich 1898 einen besonders ungünstigen Ort für seine Teeröl-Produktion ausgesucht: Direkt über der Wilhelmsburger Rinne – dem spitzen, tiefen Einschnitt auf unserer Grafik – errichtete er seinen Chemie-Betrieb. Die mit Sand und Geröll gefüllte geologische Kerbe durchschneidet alle Schichten, die nach unten sackende Gifte aufhalten könnten – eine Gefahr für das Trinkwasser, das ein Wasserwerk nur wenige Hundert Meter entfernt aus der Tiefe pumpt. Die Bürgerschaftsgruppe Regenbogen und der Förderkreis Rettet die Elbe haben deshalb gestern die Sanierung der seit fast 20 Jahren bekannten Altlast gefordert.

Der Regenbogen-Abgeordnete Lutz Jobs sah sich zum Handeln veranlasst, nachdem er die Antworten auf zwei parlamentarische Anfragen zum Thema Haltermann erhalten hatte. Danach ist das Erd-reich unter dem Firmengelände stark mit verschiedenen Giften durchsetzt (taz hamburg berichtete) – von vergleichsweise harmlosen Mineralölrückständen über Schwermetalle, krebserregende Kohlenwasserstoffe wie Benzol bis hin zu hochgiftigen Dioxinen. Die gut wasserlöslichen dieser Stoffe haben sich im obersten Grundwasserleiter bereits bis ins Wohngebiet hinein ausgebreitet. Nach langwierigen Voruntersuchungen begann die Umweltbehörde 1999 mit der Sanierung.

Bernd Moritz von Rettet die Elbe warf der Behörde vor, ihr hätte die besondere geologische Situation unter dem Gelände seit spätestens 1983 bekannt sein müssen. Trotz der großen Gefahr fürs Trinkwasser habe sie daher viel zu spät gehandelt.

Die Behörde ihrerseits wies diesen Vorwurf gestern zurück. Nach den Daten des geologischen Landesamtes sei davon auszugehen gewesen, dass auf der Rinne ein De-ckel aus wasserundurchlässigem Mergel liege, sagte eine Sprecherin von Umweltsenator Alexander Porschke (GAL). Erst als Fachleute prüften, ob sich das stark vergiftete Erdreich einkapseln ließe, hätten sie festgestellt, dass die Mergelschicht löchrig war. „Es ist fahrlässig, dass man erst nach 20 Jahren anfängt, die Geologie des Geländes zu untersuchen“, kommentierte Herbert Nix von Rettet die Elbe.

Die Umweltbehörde sucht jetzt bis in 300 Meter Tiefe nach dem Gift von Haltermann. Pressesprecherin Brigitte Köhnlein hofft, dass das Wasser an dieser Stelle aufgrund der hydraulischen Gegebenheiten nach oben gedrückt wird. „Es ist unwahrscheinlich, dass die Schadstoffe in den tiefen Grundwasserleiter gelangt sind, aus dem das Wasserwerk Wilhelmsburg fördert“, sagte sie. Im Herbst sollen die Messergebnisse vorliegen.