Kassen bauen vor

Heute im Bundestag: Abschaffung des Globalbudgets. Erste Krankenkassen erhöhen vorsorglich die Beiträge

BERLIN taz ■ Es wird kein Zufall sein, dass ausgerechnet in dieser Woche die erste Krankenkasse ihre Beiträge erhöht hat. Auf diese Weise ist Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gewaltig unter Druck geraten, pünktlich zur ersten Lesung des „Budget-Ablösungsgesetzes“ im Bundestag, mit dem sie das Globalbudget für die Ärzteschaft abschaffen will.

Die Spitzenverbände der Kassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatten sich zwar in der vergangenen Woche auf neue Richtlinien für eine wirtschaftlichere medizinische Versorgung geeinigt. Doch unmittelbar nach dem Treffen kündigten die Krankenkassen an, im nächsten Jahr die Beiträge zu erhöhen. Dies hat die AOK Hessen nun schon zum 1. Juli diesen Jahres getan. Die AOK Baden-Württemberg will am 26. Juni über eine mögliche Anhebung entscheiden. Sollten die anderen Krankenkassen nachziehen, dann wird sich das auf die Lohnnebenkosten und damit auf den Arbeitsmarkt auswirken.

Diese Aussicht rief in den vergangenen Tagen die Arbeitgeberverbände und die Opposition auf den Plan. „Das ist die absehbare Quittung für die verfehlte Politik der Bundesregierung“, tönte es da zum Beispiel aus dem bayerischen CSU-Sozialministerium. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warf der Regierung falsche Weichenstellungen und mangelnden Reformwillen vor.

Die Krankenkassen begründen ihr Handeln damit, dass sie in der vergangenen Zeit nicht nur darunter zu leiden hatten, dass junge Mitglieder zu den Betriebskassen abwandern. Sie seien außerdem durch die Politik belastet worden. So gebe es etwa Mindereinnahmen, weil Arbeitslosen nur noch 80 Prozent Krankenkassenbeitrag zahlen müssen. Dafür hätte die Neuregelung der 630-Mark-Jobs den Versicherungen zusätzliche Einnahmen beschert, betont dagegen das Gesundheitsministerium. Ulla Schmidt will die gesetzlichen Versicherungen außerdem unterstützen, indem sie höhere Mindestbeiträge für die Betriebskrankenkassen einführt. Vor allem fürchten die gesetzlichen Krankenkassen jedoch, dass die Ärzte wieder häufiger zum Rezeptblock greifen, wenn die Budgetierung wegfällt. Schon in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren die Ausgaben für Arzneimittel etwa zehn Prozent höher gewesen als im ersten Quartal des vergangenen Jahres. Ein Grund, warum die Grünen fordern, die neuen Richtlinien durch Sanktionen zu flankieren. Diese sollen dann greifen, wenn Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen sich nicht einigen können.

Das ist nicht ganz abwegig. So zogen, ebenfalls rechtzeitig vor der ersten Bundestagsdebatte, Niedersachsens Ärzteverbände in Hannover schon einmal auf die Straße und forderten, „die Kostendeckelung des Gesundheitswesens“ abzuschaffen.

Dass die Zusammenarbeit zwischen den Interessenverbänden zugunsten der Wirtschaftlichkeit auch funktionieren kann, hat sich in den vergangenen Jahren schon gezeigt. Wie die letzte Abrechnung beweist ist, es elf KVen gelungen das Arzneibudget einzuhalten. Zuvor waren es nur vier gewesen. Besonders in Hessen wird mit Hilfe von Medikamentenberatungen und Qualitätszirkeln erfolgreich gespart – ein Beispiel, auf das man im Gesundheitsministerium gern verweist, denn dass die Patienten dort schlechter versorgt sind, ist nicht erkennbar.STEPHANIE VON OPPEN