Spielplätze ins Leben holen

Kinderspielanlagen sind oft abgeschirmte Ghettos. Will man sie attraktiv machen, müssen sich dort auch Erwachsene wohlfühlen  ■ Von Kaija Kutter

„Spielplätze sind Scheißplätze“, sagte jüngst ein Pädagoge. „Die Eltern gehen mit ihren Kindern dahin, als würden sie ihren Hund Gassi führen“ – gelangweilt und ungeduldig daneben stehen, während das Kind seine Schaukel-Übungen macht.

Knut Dietrich, Professor für Sportpädagogik und Leiter vom „Hamburger Forum Spielräume“, drückt es etwas differenzierter aus: „Spielplätze sind Spielghettos, die von der Umwelt abgetrennt sind.“ Man müsse diese Spezialisierung rückgängig machen und dafür sorgen, dass sich an diesen Plätzen auch Erwachsene wohlfühlen.

Bei einer Untersuchung von Spielorten, die Dietrich mit seinem vierköpfigen Team durchführte, stellte sich der von Cafés gesäumte Hein-Köllisch-Platz mit seinen „Spielsteinen“ als der beliebteste heraus. „Kinder wollen was vom Leben mitkriegen“, sagt Dietrich. „Wir müssen Plätze schaffen, wo auch Erwachsene wirklich sein können.“ So habe man beispielsweise bei der Neugestaltung des Spielplatz Rothestraße in Altona auch eine Boulebahn angelegt. Und die Bänke wurden so gestellt, dass Eltern sich unterhalten können. Nur die Realisierung eine Cafés scheiterte an der Umsetzung.

Doch auch die Spielgeräte selbst sind ein Problem: ausgerichtet auf maximale Sicherheit bestehen sie fast ausschließlich aus „unbeweglichen Teilen“, wie Dietrich kritisiert. Manche Gartenbauämter trauten sich noch nicht mal, einen Kletterbaum aufzustellen. Dabei hätten Riskiko-Untersuchungen ergeben, dass Kinder ein eigenes Gefühl für Gefahr entwickeln und beim Klettern umdrehen, wenn es nötig ist. Dietrich: „Etwas ganz anderes ist es, wenn Sie als Mutter daneben stehen. Das Kind merkt sofort, dass Sie Angst haben.“

Bestimmte Bewegungsformen wie Werfen, ein Gefühl für Oben und Unten, die Möglichkeit, sich zu verstecken, gingen der heutigen Kindergeneration verloren, fürchtet der Forscher. „Kinder müssen lernen, Risiken einzuschätzen. Jedes Kind hat das Recht auf seine eigene Beule“, ergänzt sein Mitarbeiter Ivo Hoin. Das Problem sei, dass „Profis wie Pädagogen auch mal Pech haben. Wenn ein Kind doch mal verunglückt, wird der Ruf nach mehr Sicherheit wieder groß.“

Dietrich und sein Team beraten auch Spielgerätehersteller – „wir versuchen, die Geräte immer kniffliger zu machen“, sagt Hoin. „Wir müssen mit Geräten Unsicherheit simulieren, damit Erfahrungen gemacht werden.“ Es gebe aber auch sehr einfache Mittel, um Spielplätze attraktiver zu machen. So wurde auf Dietrichs Anregung auf einen verödeten Spielplatz an der Gärtnerstraße ein großer Haufen Sand geschüttet. Die Kinder können da-rauf springen, klettern, den Sand abbauen, wegschleppen. Als der Sand flachgespielt war, kam einfach neuer. Auch schlichte Bretter oder Europaletten können Kinder faszinieren. Dietrich: „Kinder wollen etwas bewegen. Bauen ist eine ihrer elementarsten Tätigkeiten.“

Das „Forum Spielräume“ ist am Fachbereich Sportwissenschaft angesiedelt und Mitglied der behördenübergreifenden Arbeitsgruppe „Kinder Leben in Hamburg“. Das Problem sei, so Dietrich, dass die Zuständigkeit für Kinder auf viele Behörden aufgeteilt sei, „die Probleme liegen oft auf den Grenzlinien“. Zwar ist die stärkere Berücksichtigung von Kindern, „Beteiligung“ genannt, zurzeit in aller Munde. Doch Realität wird dies nur in vereinzelten Modellprojekten.

Ivo Hoin rät allen Eltern, die mit den Spielplätzen vor ihrer Haustür unzufrieden sind, die Gunst der Stunde zu nutzen: „Es war noch nie einfacher für Eltern, sich zu beteiligen.“ Auch wenn kein Geld da sei, könnten Mütter und Väter ihre Zeit einbringen und, falls vorhanden, auch ihre handwerklichen Fähigkeiten. Statt darauf zu warten, dass der Staat den idealen Spielplatz hinstellt, könnten Anwohner die Plätze selber neu gestalten. Eine Brücke beispielsweise oder einen „Fußfühlpfad“, der abwechselnd über Rindenmulch, Steine, Kies, Sand und Pflastersteine führt, könnte man schon mit einfachen Materialien aus dem Baumarkt bauen. Das Forum (Tel.: 42838-4155) wäre bereit, Eltern Wege aufzuzeigen und zu beraten. Denn eine Absprache mit den örtlichen Bauämtern muss es schon geben.