Die Rückkehr der glorreichen Echokammern

Er ist der Strippenzieher und Großvater der britischen Dubszene. Heute kommt Adrian Sherwood mit seinem Soundsystem zu Besuch ins Maria

Dub ist schon eine komische Musik. Entstanden auf Jamaika als „Mutter des Remix“, ist der Sound aus den Echokammern vor allem in Europa und Japan beliebt. Diese Faszination der Europäer wird im Herkunftsland eher belächelt. „Bei denen dreht sich alles um gute Songs und die dazugehörige Dubversion“, sagt Adrian Sherwood, „Leute wie Lee Perry wären von sich aus nie darauf gekommen, eine LP aufzunehmen, die man sich zu Hause anhört.“

Dass in Europa heute trotzdem jede Menge Dub-Longplayer auf dem Markt sind, die auf Jamaika niemals erschienen sind, ist mit ein Verdienst ebenjenes Adrian Sherwood. Der 43-jährige Londoner hat auf seinem Label „On-U Sound“ inzwischen einen Katalog von mehr als hundert Veröffentlichungen vorzuweisen, darunter auch Produktionen von seinem Vorbild Lee Perry. Beinahe 25 Jahre ist Sherwood bereits im Geschäft und hat mit Fug und Recht den Titel „Großvater der britischen Dubszene“ verdient. Seine erste Kleinstplattenfirma gründete er bereits im Alter von 17 Jahren, nannte es „Carib Gems“ und vertrieb damit Singles von Bands wie Black Uhuru. 1980 entstand dann das bis heute existierende „On-U Sound“-Label.

Der umtriebige Sherwood hat sich aber nicht auf das bloße Herausgeben von Tonträgern beschränkt, sondern sich auch einen Ruf als Produzent erarbeitet. Ob sie nun Dub Syndicate, African Headcharge oder Prince Far I heißen, bei vielen der Acts auf „On-U“ war der Labelboss gleichzeitig auch für die Musik verantwortlich. Immer wieder versuchte er sich dabei an der großen Fusion von Reggae mit Funk und Rock. Diese Experimentierfreude machte Sherwood auch über Genregrenzen hinweg bekannt und brachte ihm Produzentenjobs für die unterschiedlichsten Bands ein. So stand er unter anderem für Nine Inch Nails, Living Colour, Primal Scream und zuletzt sogar für Sinead O’Connor hinter dem Mischpult.

In den letzten Jahren ist es um Sherwood etwas ruhiger geworden. Für „On-U-Sound“ wurden kaum noch neue Bands und Projekte unter Vertrag genommen. Vielmehr hat Sherwood sich darauf verlegt, auf dem „On-U“-Ableger „Pressure Sounds“ längst vergriffene Dub- und Reggae-Platten aus der goldenen Ära der frühen 70er wieder zu veröffentlichen. Ihm liegt heute mehr daran, die glorreiche Vergangenheit seiner Musik zu konservieren, als an ihrer Zukunft mitzubasteln.

Diese Mission hat ihn auf seine alten Tage wieder dazu gebracht, ein Soundsystem auf die Beine zu stellen, mit dem er den Leuten das original Reggaefeeling näher bringen will. Mit dabei sind der „Pressure Sound“-Betreiber Pete Holdsworth und der altgediente Radio-DJ Steve Barker von der BBC. Eine Runde schon etwas älterer Herren, die man keinesfalls unterschätzen sollte: Schließlich hat sonst kaum jemand in Europa so viele rare und unbekannte Tunes in der Plattenkiste wie dieses Trio.DANIEL FERSCH

„On-U-Sound-Special“ mit Adrian Sherwood, heute Abend ab 22 Uhr, Maria am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 8-10, Friedrichshain