Riesenkondome und Doppelherzparty

Heute rollt die CSD-Parade zum 23. Mal durch die Stadt. Wer mehr sucht als Spaß, demonstriert und tanzt in Kreuzberg

Großveranstaltungen, zumal in Berlin und im Sommer, besitzen enorme Anziehungskraft. Letztes Jahr zählten die Veranstalter der CSD-Parade bereits 400.000 Schaulustige. Wenn heute der Gay Pride zum 23. Mal auf die Straße geht, soll die halbe Million voll werden. 80 Wagen von Vereinen, Clubs und Firmen werden über die acht Kilometer lange Route rollen. Der Startschuss fällt um 13 Uhr am Olivaer Platz. In weitem Bogen führt die Parade dann über den Ku’damm zum Wittenbergplatz, streift den Szenekiez am Nollendorfplatz und erreicht über Bülow- und Potsdamer Straße den Potsdamer Platz. Am Brandenburger Tor vorbei schwenkt der Zug auf die Straße des 17. Juni ein.

Die Zusammensetzung der Parade ist so bunt wie die schwul-lesbische Subkultur: Wenige hundert Meter trennen das Gefährt des Beratungsvereins Mann-O-Meter, das sich mit einer gigantischen Kondomschachtel schmückt, vom „West-Truck“, auf dem, so die Sponsoren, „eine rote Ivetta von GoGos gewaschen wird“. Es folgen, unter vielen anderen: die Gruppe „Homosexuelle und Kirche“, der Kreuzberger Lesbentreff Schokofabrik, der Club Ficken 3000 in einem ausrangierten BVG-Bus, die „Ost-Frauen-Lesben-Camp & Bäuerinnen GbR“ mit einem echten Traktor und die Initiative „Rosa Steine für die Frauenkirche Dresden“.

Mit der Ankunft der letzten Wagen an der Siegessäule wird gegen 18 Uhr gerechnet, dann beginnt die Abschlusskundgebung mit Bühnenprogramm und Musik. Förmlich wird es gegen 19.30 Uhr, wenn Bundestagspräsident Wolfgang Thierse eine Ansprache hält. Anschließend wird der „Preis für Zivilcourage“ verliehen, unter anderem an den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, und das Schwule Überfalltelefon Berlin. Das diesjährige Motto: „Berlin stellt sich que(e)r gegen rechts“.

Der Rest ist Party: Das Open-Air-Event im Tiergarten endet mit einem Feuerwerk um Mitternacht. Schon um 23 Uhr beginnt im Stilwerk an der Kantstraße die Abschlussparty „Stil gegen rechts“. Getanzt wird im 25 Meter hohen Atrium, gechillt auf der Dachterrasse „Sky-Bar“. Ein Dutzend Clubs bietet die ganze Nacht Raum zum Feiern.

Wer die Megaparade trotz allem für unpolitisch hält, ist in der Kreuzberger Oranienstraße besser aufgehoben. Auch hier haben die CSD-Feierlichkeiten Tradition. Der erheblich kürzere Demozug verlässt gegen 18 Uhr den Oranienplatz in östlicher Richtung, um bereits auf dem Heinrichplatz zu enden. Dort findet die Abschlusskundgebung mit Straßenfete und Show statt. Um 21 Uhr öffnen sich die Türen des SO 36 und des Schwuz am Mehringdamm zur „Doppelherz-Party“.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lässt übrigens offen, ob er zur Siegessäule kommt. Für ihn hätten „die Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich absolute Priorität“. Aber: „Wenn ich es zeitlich schaffe, schaue ich sicherlich noch vorbei.“ CLAUDIUS PRÖSSER