„So ein Ding macht man nur einmal“

Olaf Staps wollte die alljährliche Luxemburg-Liebknecht-Demo mit einer Bombendrohung verhindern. Zuvor hatte er sein Friedrichshainer Wohnhaus angezündet – aus Protest gegen die bevorstehende Sanierung. Seit gestern steht der 41-jährige Mann aus Thüringen vor dem Landgericht

von PLUTONIA PLARRE

Nach der Attentatsdrohung auf den PDS-Gedenkmarsch für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hatte in Berlin eine Sicherheitslage geherrscht wie beim Besuch des Präsidenten der USA. Jeden Grabstein hatte die Polizei auf dem Friedhof Friedrichsfelde im Januar 2000 umgedreht und in jeden Gulli geguckt. Der 41-jährige Drohbriefschreiber Olaf Staps indes saß auf dem Dachboden des still gelegten Rummelsburger Gefängnisses, verfolgte über einen batteriebetriebenen Minifernseher die Großfahndung nach ihm und feixte. „Ich wollte ernst genommen werden“, sagt Staps heute. „Es hatte aber auch etwas Komisches.“

Seit gestern muss sich der hagere Mann mit den kleinen Augen im fein geschnittenen Gesicht vor dem Landgericht verantworten. Nach der Drohung, die PDS-Veranstaltung im Januar 2000 mit Maschinenpistolen und Handgranaten anzugreifen, hatte er die Ermittler noch fast ein Jahr genarrt. Bis er Ende Dezember vergangenen Jahres festgenommen wurde.

Eigentlich, sollte man meinen, kann Staps seinem Prozess gelassen entgegensehen. De facto war schließlich nichts passiert. Der Gedenkmarsch am 9. Januar war von der Polizei aus Sicherheitsgründen verboten worden, der zweite am 15. Januar lief unter großem Sicherheitsaufwand reibungslos ab. Einzig die PDS konnte sich freuen, weil sich die Demonstration wegen der öffentlichen Aufmerksamkeit noch größeren Zulaufs als sonst erfreute. Die Staatsanwaltschaft sieht das jedoch anders. Sie wirft Staps vor, den öffentlichen Frieden durch die Androhung einer Straftat gestört zu haben. Hinzu kommt noch der Vorwurf der schweren Brandstiftung, auf die eine Strafandrohung von bis zu 15 Jahren steht. Auf diesen Anklagepunkt konzentriert sich das Augenmerk des Gerichts.

In der Brandstiftung, genauer gesagt in der Vorgeschichte, sind auch die Wurzeln für das spätere Handeln des Olaf Staps angelegt. Die ganze Aktion, die später in den Drohbriefen endete, trägt die Züge eines verzweifelten Michael Kohlhaas im Kampf gegen ein System, in dem sich „Privatleute an Wohnungen bereichern“. Der in Thüringen aufgewachsene Staps hatte zu DDR-Zeiten drei Hausdurchsuchungen des Ministeriums für Staatssicherheit ertragen, unter anderem ging es um Aufkleber an seiner Wohnungstür. Doch die Besuche der Stasi hatten ihm nicht so zugesetzt wie der Krieg gegen die Sanierung seiner Wohnung in der Grünberger Straße 52, den er 1999 gegen eine Immobilienfirma verlor.

Staps ist ein Einzelgänger. Schon zu seiner Studienzeit am Institut für Soziologie Anfang der 90er-Jahre verfasste er lange Traktate, die von Kommilitonen als „selbstreferenziell“ beschrieben wurden. In dieser Form hatte er auch mit dem Hauseigentümer korrespondiert. In der Wohnung in der Grünberger Straße wohnte Staps seit 1986. Die Kommunale Wohnungverwaltung hatte das Haus nach der Wende an den Alteigentümer zurückgegeben, der es später an eine Immobilienfirma verkaufte. 1998 begann die Sanierung. Staps blieb als einziger Mieter übrig. Verärgert über die hohe Bezuschussung der Wohnungssanierung aus dem Programm für Stadterneuerung, schrieb er an den Eigentümer wütend: „In meine Wohnung lasse ich Sie nicht rein.“

Auch die PDS bekam Briefe. Die Partei dürfe es nicht zulassen, dass kommunales Eigentum zu Privatbesitz werde, beschwerte er sich. Er habe sehr unter dem „Bauterror“ im Haus gelitten, war gestern im Prozess zu erfahren. Dreimal sei Wasser von oben in seine Wohnung gekommen, vor dem Keller hing ein Schloss, er habe nicht an seine Kohlen gekonnt.

Staps wollte sich das nicht gefallen lassen – und schlug mit militanten Mitteln zu: Er sägte bereits gelegte Heizungsrohre durch und beklebte seine frisch gestrichene Wohnungstür erneut mit Aufklebern: „Linksradikale und antideutsche Highlights“, beschrieb er den Inhalt gestern vor Gericht. Nachdem er im Hof in eine frisch ausgehobene Grube gefallen sei, habe er den Bagger mit Tapetenkleister eingedeckt. Nach einer fristlosen Kündigung sollte am 24. September 1999 die Zwangsräumung sein. Den Entschluss, das Haus anzuzünden, hatte Staps schon vorher gefasst. Er vergoss zwanzig Flaschen Spiritus in seiner Wohnung und verteilte im Haus glühende Kohlen.

„Ich wollte die Räumung verzögern“, Menschen seien in dem leer stehenden Gebäude nicht in Gefahr gewesen, sagte er. Seine Wohnung, einschließlich der 600 Schallplatten, und die über tausend Bücher seiner umfassenden Bibliothek brannten vollständig aus. In den Tagen vor der Tat hatte er sich noch einmal Hilfe suchend an die PDS-nahe Baustadträtin gewandt. Sie möge die Sanierung stoppen. Doch der Brief blieb unbeantwortet.

Ein Notquartier in Rummelsburg hatte sich Staps schon vorher gesucht. Von dort meldete er sich nach dem Brand noch einmal beim Hauseigentümer zu Wort. „Sie haben mich in die Notwehrsituation gebracht“, schrieb er und forderte 50.000 Mark Schadensersatz.

Für den Fall, dass er in den Knast komme und dort mit einem PDS-Wähler zusammengelegt werde, möge ihm der Eigentümer pro Monat dreitausend Mark Haftentschädigung zahlen. Viertausend Mark, wenn es sich um ein PDS-Mitglied handele, und 5.000, wenn der Mithäftling ein hauptamtlicher Funktionär sei.

Der Brief sei ironisch gemeint, sagte Staps gestern. Aus seinem Hass auf die PDS macht er aber keinen Hehl. Er spricht von einem „rechtsradikalen Verbrecherverein“, mit dessen Hilfe er seiner „Wohnung beraubt und obdachlos geworden sei“.

Vor Gericht steht ein ernster und konzentrierter Mann, der sich in eine Sache verrannt zu haben scheint. Ein Fall für die Psychiatrie scheint er aber nicht zu sein. Den Gerichtspsychiater hat er nicht an sich herankommen lassen. Er wolle sich nicht in den Kopf gucken lassen, sagt ein Justizsprecher. „Nein“, sagt Staps, „die Drohung gegen die PDS-Veranstaltung habe ich nicht ernst gemeint. Es ging nur um die Herstellung von Öffentlichkeit, und das hat doch geklappt.“

Auf die Frage des Richters, ob er seine Tat wiederholen werde, sagte er: „Ich bereue es nicht. Aber so ein Ding kann man nur einmal im Leben machen.“