Lebensfreude im Schatten von Aids

Südafrika führt den Kampf gegen die Infektion entschlossener. Botschaft an die UNO: Der Kontinent gibt sich nicht auf

JOHANNESBURG ■ taz Die Botschaft steckt voll Hoffnung für Afrika: „Leben ist mehr als HIV/Aids“, sagt Judy Nwokedi. „Wir müssen jungen Leuten einen Sinn für die Zukunft geben. Wir haben noch nicht aufgegeben.“ Mit dieser Einstellung fährt Nwokedi, die 42-jährige Initiatorin von „Love Life“, Südafrikas größtem Aufklärungsprogramm für junge Leute, zur Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zu HIV/Aids nach New York. Vier Teenager reisen mit ihr, um dort zu verkünden, dass Südafrika im Kampf gegen die Epidemie siegen wird.

Jugendliche im Alter zwischen 19 und 24 sind in Südafrika am stärksten von der HIV-Infektion bedroht. „Wir richten unsere Programme an die Altersgruppe um 15 Jahre, das sind 40 Prozent der Bevölkerung. Sie sollen Verantwortung im Umgang mit Sex lernen, aber auch mit Mut und Spaß ins Leben gehen.“

Die Realität sieht für viele Kinder in Südafrika schon düster aus. Immer mehr Waisen bleiben nach dem Aidstod ihrer Eltern zurück. Eine gerade veröffentlichte Untersuchung des Nelson Mandela Children's Fund schätzt ihre Zahl auf 420.000 in Südafrika, 11 Prozent der Bevölkerung. Viele leben in Hütten unter ärmlichen Umständen, haben kein Geld, keine Nahrung und werden über Nacht – selbst noch Kinder – verantwortlich für ihre Geschwister. Genaue Zahlen fehlen, denn die Kinder sind nur schwer auffindbar.

Um wenigstens die Übertragung der tödlichen Viruskrankheit von schwangeren Frauen auf ihre Babys zu reduzieren, beginnen – wenn auch viel zu langsam – Pilotprojekte mit dem Medikament Nevirapine in allen Provinzen des Landes.

Die Aidsaktivisten der Organisation „Treatment Action Campaign“ (TAC) haben einen „heißen Draht“ für besorgte Mütter eingerichtet. Diese können jetzt telefonisch abfragen, wann und wo sie das Medikament erhalten. „Die Regierung ist unserer Forderung nach einem konkreten Behandlungsplan im Juni für HIV-/Aidskranke nicht nachgekommen“, sagt aber Pholokgolo Ramothwala, TAC-Koordinator in der Provinz Gauteng. Und die Aidsmedikamente sind nach wie vor für die Masse der Kranken nicht bezahlbar und ihnen nicht zugänglich. „Firmen reduzieren schon merklich ihre Preise, doch es reicht nicht, um die wirklich Betroffenen zu versorgen“, sagt Ramothwala. Er hofft, die Vereinten Nationen werden die internationalen Firmen dazu drängen, die Preise weiter zu senken.

Betriebe und Firmen haben inzwischen erkannt, dass in Südafrika Vorbeugung langfristig billiger ist als Behandlung. DaimlerChrysler hat ein umfassendes Aidsprojekt gestartet, das in die Familien der Arbeitnehmer und die Gemeinden hineinreichen soll, um die Infektion zu verhindern und das Tabu um Aids zu brechen. Andere große Unternehmen wie Anglo American arbeiten an ähnlichen Plänen. Die Lonmin Western Platinum Mine geht mit Operation „Phila“ voran: Prostituierte arbeiten für die Aidsaufklärung ihrer Kunden, die Bergarbeiter in den umliegenden Unterkünften. Selbst Coca-Cola, Afrikas größter Arbeitgeber, hat jetzt in Partnerschaft mit Unaids der Viruskrankheit den Kampf angesagt. Aufklärung und Vorbeugung sind die Maßnahmen, die das Sterben eindämmen sollen. Judy Nwokedi wird diese Botschaft in New York präsentieren: „Wir wollen der Welt zeigen, dass Afrika nicht sang- und klanglos untergehen wird.“

MARTINA SCHWIKOWSKI