Schlaghosen und Schlips

■ Ortsamtsleiter Robert Bücking und CDU-Landesvorsitzender Bernd Neumann kramen in ihrem politischen Gedächtnis / Rechts und Links in Bremen – die wilden Sechziger

„Ich hatte speckige lange blonde Haare, Schlaghosen, in die zwei Beine reingepasst hätten und Placken im Gesicht.“ Damals. „Ich war zu der Zeit im Schuldienst und da war Anzug und Schlips üblich.“ So reden sie heute, Robert Bücking, Leiter des Ortsamtes Mitte und der CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann. Wenn sich 68-er an ihre Jugendzeit erinnern, dann ist das immer eine Geschichte mit vielen Wirs. „Wir haben ja damals nicht ...“ und „Viele von uns waren ja ...“

Es ging um die wilden Sechziger bei der kleinen Diskussionsrunde am Sonntag mittag im Schauspielhaus. Um die legendäre Demonstration wegen der Fahrpreiserhöhung, um Mode und Machtmenschen, kurz gesagt: Um links und rechts in Bremen. „Kleidung war mir unwichtig“, erinnert sich Robert Bücking. „Wir haben sie nur für das Reiz-Reaktions-Schema benutzt. Die Leute haben sich eben darüber aufgeregt.“

„Unsere Kleidung war damals Anpassung“, erwidert Bernd Neumann. „Das hatte mit Gesinnung nichts zu tun.“ Neumann war in den Sechzigern ein junger Lehrer in Bremen, Bücking pubertierender Schüler. Während Bücking im Januar '68 auf der Straße gegen die BSAG demonstrierte, die ihre Fahrpreise auf siebzig Pfennige erhöhen wollte, mischte Neumann schon kräftig genau in dem System mit, gegen das sich Bücking aufbäumte. Dennoch sieht Neumann, wenn er heute auf diese Zeit zurückblickt, keine Schere zwischen den Gesinnungen: „Es herrschte nicht das Verständnis: Ich bin links und du rechts . Ich habe mich nie als rechts eingestuft. Hätte ich ein anderes Umfeld gehabt, hätte ich genauso gut in die SPD eintreten können.“

Juni 1967: Der Student Benno Ohnesorg wird bei einer Demonstration in Berlin erschossen. Der Anfang der Studentenbewegung war zugleich der Anfang von Bückings persönlichem Aufstand. „Ich rannte durch die Wohnung, war emotional, rebellisch. Ich hatte das Bedürfnis, Einspruch einzulegen.“ Begonnen hat sein aktiver Einspruch dann mit der Fahrpreis-Demonstration.

Aber da war diese Ambivalenz: Einerseits regierte mit der SPD bereits eine linksgerichtete Partei, andererseits wollte man sich auflehnen gegen die Obrigkeit, das Establishment. Einerseits sahen die Demonstranten von damals ihr Tun als vollkommen legitim an, andererseits wendete sich dieser Druck der Straße ja gegen die mühsam gewachsene Demokratie. „Diese Doppelgesichtigkeit zog sich durch die folgenden zehn Jahre“, so Bücking.

Doch sie waren auch selbstgerecht, die radikalen Linken von damals. Sie hatten das Gefühl, alles wäre gerechtfertigt, um den Moloch Obrigkeit zu überwinden. Sogar Gewalt. „Wir saßen bei schönstem Wetter im Keller und lasen Das Kapital. Aus Texten wie diesem haben wir uns ein Gitter über den Kopf gestülpt, das uns gefangen hielt.“ Es habe lange gedauert, bis man sich von diesem selbstautoritärem Gehabe abgewendet habe. Bernd Neumann abschließend zum Heute: „Eine Zuordnung nach rechts und links ist nicht mehr so einfach. Mir liegt es auch eher, gelassen miteiander umzugehen. Die Grünen sind heute ja auch nicht mehr das Problem.“ Sprach' s und wünschte sich zusammen mit dem Ortsamtsleiter: Joe Cocker, „With a little help from my friends“.

spo