Der Förderalismus feiert: Alle haben am Ende mehr

■ Kanzler-Kompromiss: Die „Geber“-Länder müssen weniger abgeben und die „Nehmer“-Länder bekommen mehr

Selbst der kritische Wirtschaftswissenschaftler Prof. Rudolf Hickel will bei dem Erfolg der Verhandlungen um den Länderfinanzausgleich nicht beiseite stehen: „Ein Sieg der Vernunft“, freute er sich. Und ein Erfolg war das Ergebnis offensichtlich für alle: Bremen erwartet im Jahr „Null“ der neuen Regelung (2005) insgesamt 70 Millionen Mark mehr aus dem Ausgleichssystem als nach der alten Rechnung drin gewesen wären, freut sich Bürgermeister Henning Scherf. Niedersachsen erhalte ab 2005 jährlich 300 bis 320 Millionen Mark mehr, erklärte Ministerpräsident Siegmar Gabriel. Gleichzeitig freuen sich die unionsregierten Geberländer Hessen, Baden-Württemberg und Bayern, dass sie ab 2005 weniger in den Finanzausgleich einzahlen müssen. Sie setzten ihre Hauptforderung durch, künftig weniger Steuereinnahmen an die ärmeren Länder abzuführen und dafür mehr selbst einbehalten zu können. Allein Bayern wird dadurch bereits 2005 rund 400 Millionen Mark zusätzlich zur Verfügung haben.

Fragt sich, wo das Geld gedruckt wird, denn rein rechnerisch kann das Bund-Länder-Ausgleichssystem nur ein Nullsummen-Spiel sein. Eine Erklärung dafür, dass alle sich als Sieger sehen, liegt in der Verknüpfung mit dem „Solidarpakt „ für den Aufbau Ost: Bundesfinanzminister Hans Eichel hat den Länder 1,5 Milliarden Mark an Schuldentilgung abgenommen und eine Milliarde „gewinnen“ die Länder durch die Streckung der Abzahlung. Wenn der „Solidarpakt II“ ausläuft, werden aus dem „Fonds deutsche Einheit“, dem Vorläufer des Solidarpaktes, noch 12,8 Milliarden Schulden offen sein. Aber das wird erst im Jahre 2020 sein – verständlich, dass die heute regierenden Politiker das als Erfolg ansehen.

Für Bremen besonders wichtig: Das Stadtstaatenprivileg bleibt unangetastet, die Einwohnerzahl wird im Finanzausgleich weiter mit 135 Prozent multipliziert. Und: Die „Hafenlasten“ werden zwar nicht mehr im Finanzausgleich berücksichtigt, aber in einem neuen Gesetz auf 75 Millionen Mark jährlich festgelegt werden. Dass Bremen unter dem Strich wirklich mehr Geld zur Verfügung haben wird im Jahre 2005, ist zur Zeit nicht absehbar. In dem Brief, den Bundeskanzler Gerhard Schröder den Bremer Bürgermeistern als Gegenleistung für ihre Zustimmung zu seiner Steuerreform geschrieben hatte, sind mehrfach ausdrücklich Finanzausgleich und Steuerreform als die Problemkreise genannt, aus denen es keine Schlechterstellung gebensolle. Nach den derzeitigen Berechnungen sind die Mindereinnahmen nach der Steuerreform, mit deren Ausgleich Bremen nach dem Kanzlerbrief im Jahre 2005 rechnet, größer als die prognostizierten Zuwächse aus dem neuen Länderfinanzausgleich. Nach dem Wortlaut des Kanzlerbriefes sind die beiden Summen miteinander zu verrechnen. K.W.

(siehe Berichte im überregionalen Teil)