Die Ostländer bekommen mehr Spielraum

Solidarpakt II: 306 Milliarden Mark Lebenshilfe von 2005 bis ins Jahr 2019. Und viel davon zur freien Verfügung

BERLIN taz ■ Was beim Länderfinanzausgleich die „Nachtsitzung“ war, ist beim „Solidarpakt II“ das Mittagessen. Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder hatten die Rechenpausen zum föderalen Finanzausgleich immer wieder in eigener Sache genutzt. Eine Abstimmung hier, eine Strategieabsprache da, und schließlich die Positionierung gegenüber der Bundesregierung.

Immer wieder hatten die Ostländer klar gemacht, dass sie die Verhandlungen zum neuen Finanzausgleich blockieren würden, falls nicht der neue Solidarpakt gleichzeitig verhandelt werden würde. Was angesichts der Materie durchaus sinnvoll erscheint: Länderfinanzausgleich und Solidarpakt sind eng miteinander verzahnt. Vergangene Woche hatte Sachsens Finanzminister Thomas de Maizière – der die Verhandlungen für die Ostländer koordinierte – noch erklärt: „Die Auffassungen der ostdeutschen Länder und der Bundesregierung liegen meilenweit auseinander.“ Dann aber lud Kanzler Schröder am Samstag zum Mittagessen. Bevor die Speisen aufgetragen wurden, war die Sache vom Tisch.

Insgesamt ist die neue Lebenshilfe für Ostdeutschland 306 Milliarden Mark schwer – 200 Milliarden als Ergänzungszulage, 100 Milliarden zur Wirtschaftsförderung und 6 zur Tilgung kommunaler Altschulden. Ausgezahlt wird von 2005 bis 2020. Das bedeutet, dass der Anschluss an den Solidarpakt I übergangslos verläuft: 20,6 Milliarden Mark bekommen die neuen Länder dann aus dem Pakt – dieselbe Summe, die sie heute über Bundesergänzungszuweisungen und aus dem Investitionsfördergesetz erhalten. Der wesentliche Unterschied zum bisherigen Transfer ist, dass die Mittel dann nicht mehr so streng zweckgebunden sind – was den Ostländern mehr Spielräume eröffnet.

Ab dem Jahr 2008 werden die Raten dann kleiner: 2010 werden es noch 17 Milliarden, am Ende noch gut 4 Milliarden sein. Ein Horizont, mit dem die ostdeutschen Länder offenbar gut leben können. Als „moderat und zumutbar“ bezeichnete etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD), den allmählichen Abbau. „Die Aufgaben werden kleiner, weil dann die meisten Straßen gebaut, Schulen renoviert und Krankenhäuser fertig sind“, so Höppner.

Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) ließ sich sogar zu der visionären Bemerkung hinreißen, einen Solidarpakt III werde es nicht mehr geben. Stolpe: „In zehn Jahren wird auch Brandenburg ein Geberland sein“. Verständlich, dass er mit dieser Erwartung einen weiteren Solidarpakt für verzichtbar hält. NICK REIMER