Fujiyama frisst Frau

■ „LichtGestein“, millimetergroße Welten uralter Zeugen sind von heute an im Übermaxx zu sehen / Ein Mikrokosmos aus Steinen, fotografiert von Konrad Götz

Ein Stein. Bewegt sich nicht. Liegt einfach nur da. Und da braucht einer ganze Tage, um ihn zu fotografieren. Was am Ende herauskommt, sieht allerdings nie nach Stein aus. Das Ergebnis: ein Meer aus Blau, Türkis und Grün, am Horizont sprühende Gischt. Eine Teufelsfratze im Fegefeuer. Züngelnde Flammen, die alles versengen. Ein schimmerndes Gebirge im Abendrot. Ein Eispalast in den zerbrechlichen Farben des Wassers.

Der Erschaffer dieser Welten aus Stein heißt Konrad Götz. Was Pos-ter-groß an den Wänden des Übermaxx von heute an zu besichtigen ist, ist in Wirklichkeit nur einige Millimeter groß. Mit Licht macht Konrad Götz das steinerne Innenleben sichtbar. Und fotografiert es. Und Schluss. „Was mich beeindruckt hat, ist diese unendliche Schönheit.“ Mehr gibt der Fotograf nicht mit auf den Weg, jeder habe andere Assoziationen.

Eine durch die Länge der Wirbelsäule und der Beine zerrissene Frau ist eigentlich ein Stück fossiles Holz, 170 Millionen Jahre alt. Mit besonderen Objektiven – so genannten Makroobjektiven – fotografiert Götz winzigste Parzellen seiner Objekte und vergrößert sie zwei- bis zwanzigfach. Von dem so hergestellten Negativ macht er Abzüge in beliebiger Größe. So wird aus acht mal elf Millimetern Fichtenholz, das 150 Millionen Jahre alt ist, eine impressionistisch anmu-tende Seenlandschaft, mit Bäumen, deren Grün sich im Wasser spiegelt, mit einem Ufer, das lebendig scheint, mit einem Horizont, der träumen lässt.

Der Trick, erklärt der 72-Jährige, der seit 17 Jahren den Steinen ihr Geheimnis entlockt, sei das Licht und die Geduld der Suche. Denn bis Götz die Quadratmillimeter gefunden hat, die eine Geschichte erzählen können, dauert es. Und endet oft unspektakulär. Solche Steine schenkt er dann Kindern. „Da tut man ein gutes Werk, man bringt die Kinder vom Bildschirm weg.“

Wenn er aber die Stelle gefunden hat, die es wert ist, aufs Neue sichtbar zu werden, dann beleuchtet er die Oberfläche so, dass die Farben kräftig, die Formen Struktur werden. Nichts, betont er, werde abgelichtet, was nicht wirklich da sei. All die Kraft kommt ganz aus den Steinen selbst, Licht, Blickwinkel und Objektiv sind nur die Verstärker. „Das ist die reine Natur, was Sie hier sehen, aber durch Licht beeinflusst.“

Ergo heißt die Ausstellung auch „LichtGestein“, und der Pattloch-Verlag – der sonst vor allem Bibeln verlegt – hat Götz' Bilder in einem leinengebundenen Band herausgegeben. Neben den LichtGesteinen stehen sakrale, philosophische Texte, indianische Weisheiten, Abhandlungen über Zahlenproportionen und Intervalle – kurz: ein Haufen Esoterik. Das findet der Fotograf nicht so schön. „Ich bin kein Esoteriker“, sagt er. Er will den Betrachtern keine Vorschriften machen über das, was sie zu empfinden haben, wenn sie seine Bilder sehen.

Aber dass ferne Gedanken ganz nahe liegen, das hat er schon gelernt. Zu zwölf Quadratmillimetern Achat in flammendem Orange, tiefem Rot und schwarzen Schatten schwelgt der Text im Pattloch-Buch: „Bis zur unendlichen Feinheit formt sich der gesamte Kosmos der Tonwelt“ und so weiter. Eine Japanerin aber hat bei diesem Bild zu Götz gesagt: „Das ist der Fujiyama, der frisst Frau.“

sgi

Die Ausstellung „LichtGestein – eine Begegnung mit der Unendlichkeit“ im Übermaxx ist von Mittwoch bis Freitag von 11 bis 21 Uhr, Samstag und Sonntag von 12 bis 18 Uhr zu sehen und läuft noch bis zum 12. August. Anmeldung für Gruppen unter Tel.: 160 381 04.