Tango für alle

■ Psyschrembel- Theater im Theater

Romeo springt mit Übermut über die Gartenmauer, er wältzt sich liebestoll durch das Gras und schmiegt schließlich seine Wange an die seiner angebeteten Julia. Szenenwechsel. Eine blonde Frau berichtet verzweifelt von ihrer Männersuche. Selbst auf eine Annonce hätten sich nur Männer gemeldet, die immer nur das eine wollen: Theater, Theater, Theater. Bei dem Männermaterial solle frau noch erotisieren, beschwert sie sich weiter. Wieder Szenenwechsel-Diesmal ist der Protagonist ein Mann, der einen emotionalen Monolog über die Bedeutung des Tangos hält. „Tanz mit mir oder gegen mich- aber tanz!“, sagt er bevor er mühsam seine Krücken vom Bühnenboden aufhebt und humpelnd die Bühne verlässt. Seine Gehbehinderung ist offensichtlich. Julia, die auch die Frau auf Männersuche spielt, sitzt im Rollstuhl und Romeo ist kleinwüchsig.

Psyschrembel ist eine Gruppe von Laienschauspielern, die alle zwei Gemeinsamkeiten haben: Die Leidenschaft für das Theaterspielen und alle Mitglieder sind körperlich behindert. Der Kopf der Gruppe ist Rudolf Höhn, der auch die Texte selber schreibt. Rudolf Höhn hat Parkinson. Der 52-Jährige bei der Bremer Shakespeare Company und bei der Theatergruppe aus Bremen angestellt, bevor er als Autor und Schauspieler sein Geld bei der Münchener Lach- und Schießgesellschaft verdiente. Wegen seiner Krankheit musste Höhn seinen Beruf aufgeben. Aber Arbeit sei eine Reaktion auf seine Krankheit, so Höhn und deshalb wandte er sich mit einem Hilferuf an die Shakespeare Company. Seitdem gibt diese sowohl „finanzielle als auch ideelle“ Unterstützung für Höhns Vorhaben, eine Theatergruppe mit körperlich behinderten Menschen zu gründen. Höhns Vorstellungen wurden im März 2001 umgesetzt. Auf eine Zeitungsannonce „Theater mit körperlich Behinderten“ meldeten sich 64 Interessenten. Aufgrund des „harten Tons“ und den Diskussionen über die Gratwanderung von Verstecken und Ausstellung der körperlichen Behinderung schrumpfte die Gruppe auf zehn Mitglieder zusammen.

„Natürlich gehört eine gehörige Portion Selbstironie, Humor und Witz dazu, sich so zu präsentieren“, gibt Höhn zu bedenken. Der Autor spielt auf die geschilderte Tangoszene an, da der Protagonist offensichtlich nicht Tangotanzen kann. Oder eine andere Szene: Eine Rollstuhlfahrerin leidet nicht unter ihrer Behinderung, sondern unter ihrem hässlichen Profil. Höhn möchte den Zuschauer etwas an der Nase herumführen. Er kalkuliert bewusst ein, dass sich Text und Behinderung widersprechen. Dabei steht bei diesem Theaterstück das Theater selbst im Mittelpunkt. Psyschrembel spielen sich selbst. Eine Schauspielgruppe hat eine Aufführung, aber einige Darsteller kommen zu spät. Deshalb versucht die Gruppe das Publikum zu unterhalten, indem sie sich von Notlösung zu Notlösung hangelt. Deshalb kramen sie Repertoirestücke wie z.B. „Romeo und Julia“, „Die Jungfrau von Orleans“ oder Ausschnitte eines Stückes von Ionesco heraus. Diese Szenen enden meistens mit einem: „Tut mir leid- Weiter haben wir damals nicht geprobt.“ Zwischendurch stoßen Zuspätkömmlinge dazu und es entfacht ein heftiger Streit auf der Bühne. So wird das Stück zum Theater im Theater.

Rudolf Höhn selbst möchte nicht auf die Bühne treten. Er gibt Regieanweisungen aus dem Hintergrund und springt als Souffleur ein. Die Arbeit mit der Gruppe gebe ihm viel und er möchte es vermitteln mit Leichtigkeit mit dem Theater und der Behinderung umzugehen.

Erste Fans meldeten sich nach der Probe auch zu Wort. Eine Frau sagte, dass sie die wöchentlichen Proben in der Bremer Shakespeare Company genieße. Das größte Kompliment kam von einer Zuschauerin: „Ich habe während der Aufführung die Behinderungen gar nicht bemerkt.“ Dies sei das Ziel, das mit seinem Stück erreichen möchte, verriet Rudolf Höhn. Das Stück ist noch nicht fertig geschrieben, sondern besteht noch aus einzelnen Szenen. dennoch hofft Höhn, dass die Premiere bei anhaltender „Probengeilheit“ im nächsten Frühjahr stattfinden kann.

Verena Kösters

Öffentliche Probe am kommenden Donnerstag (28. Juni) um 19.30 Uhr im Theater am Leibnizplatz