Zum Aldi nach Alsterdorf

Stiftung für behinderte Menschen will Stadtteilzentrum werden – mit Einkaufsmarkt, Kulturbörse und Werkstätten  ■ Von Sandra Wilsdorf

Weg von der Anstalt, hin zum Stadtteil: Die evangelische Stiftung Alsterdorf plant eine komplette Neugestaltung ihres 27 Hektar großen Geländes und will zum Stadtteilzentrum werden. „Zum Einkaufen nach Alsterdorf“ soll es heißen, wenn in zwei Jahren Aldi und ein Drogeriediscounter die Bürger aus der Gegend auf das Gelände der Stiftung locken sollen.

Denn dort soll ein Wohngebäude aus dem 19. Jahrhundert einem neuen Büro- und Geschäftshaus weichen. Daran anschließen soll sich eine Ladenzeile, deren Geschäfte die Produkte von behinderten Menschen anbieten, beispielsweise die Schuhmacherei, die Korbflechterei, die Keramikwerkstatt und ein Second Hand-Laden. Das Ensemble wird sich um einen Marktplatz gruppieren, auf dem die alte Küche als Kultur- und Kommunikationszentrum erhalten bleibt und vielleicht ein Restaurant hinzukommt. Regelmäßig soll ein Markt stattfinden, bei dem auch die Produkte der drei stiftungseigenen Landgüter verkauft werden.

Der groß angelegte Plan ist in Jahren gereift und das Ergebnis verschiedener Entwicklungen: „Wir öffnen uns dem Stadtteil“, erklärt Wolfgang Kraft, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Stiftung. Es sei nicht mehr zeitgemäß, behinderte Menschen in Anstalten zu verwahren. Sie sollen entscheiden können, wo, wie und mit wem sie leben wollen. Sie sollen arbeiten und ihre Produkte verkaufen können und damit selbständiger und selbstbestimmter werden. Und so leben heute auch nur noch 500 behinderte Menschen auf dem Stiftungsgelände, weitaus mehr wohnen in den weiteren Standorten in und um Hamburg, sie leben zu zweit oder in Wohngemeinschaften.

Während des ersten Weltkrieges waren 1000 behinderte Menschen in den „Alsterdorfer Anstalten“ untergebracht, in Schlafsälen für bis zu 100 Personen. Die Häuser sind renovierungsbedürftig und entsprechen nicht mehr den heutigen Anforderungen nach Einzelzimmern und möglichst eigenen Bädern. In vielen Fällen ist es billiger, die Häuser abzureißen.

Das Konzept der Betreuung weicht zudem in der Behindertenarbeit immer mehr dem Ansatz der Assistenz. Behinderte Menschen werden dabei unterstützt, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten einzusetzen. In diese Richtung geht auch die vor einem Jahr gegründete „alster arbeit“, die in das neue Bürohaus einziehen soll. Hier werden behinderte Menschen qualifiziert und beschäftigt.

Wieviele Millionen Mark der Umbau kosten wird, der auch neue Straßen und Parkplätze erfordert, wollten die Vorstandsmitglieder gestern noch nicht genau beziffern. Aber die Stiftung ist gut bei Kasse: Sie hat nämlich Grundstücke, die sie von der Stadt gepachtet hat, geschenkt bekommen. Im Austausch hat die Stiftung der Stadt gepachtete Flächen zurückgegeben, die sie nicht mehr braucht, die Stadt aber nun versilbern kann. Diese Transaktion hat das Eigenkapital der Stiftung um 8,3 Millionen Mark erhöht.

Außerdem verzichten die MitarbeiterInnen seit 1998 und noch bis 2003 auf die ihnen tariflich zustehenden Gehaltserhöhungen, die Stiftung ihrerseit auf betriebsbedingte Kündigungen. Der mit den Gewerkschaften ausgehandelte Kompromiss hat bis jetzt 18,4 Millionen Mark für Investitionen gebracht. Investitionen in das zukünftige Zentrum Alsterdorfs.