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Anträge auf ungelegte Castor-Eier

Rund 50.000 Menschen beteiligten sich bislang beim Einwendungsverfahren gegen Atomzwischenlager in Bayern. Ihre Hauptkritikpunkte: Unerprobte, nicht genehmigte Castor-Bbehälter und ein fehlendes, unabhängiges Sicherheitssystem

aus Gundremmingen und Salzgitter KLAUS WITTMANN

Die Einwender gegen ein atomares Zwischenlager an den bayerischen Atomstandorten Grafenrheinfeld, Gundremmingen und Ohu sind perplex. Nach Durchsicht der Genehmigungsunterlagen stellten sie fest, dass in den beantragten Zwischenlagern eine Reihe von Atommüllbehältern eingelagert werden sollen, die erst noch entwickelt werden, noch nicht erprobt sind.

Der Physiker Wilfried Attenberger von der Universität Augsburg kritisiert, dass „keinerlei technische Details für zwei der drei beantragten Typen bekannt sind, sondern lediglich die Zirka-Größen“. Die Rede ist von einem neuen Castor-Typ mit der Bezeichnung VC, der 65 Brennelemente aufnehmen soll. In den Unterlagen taucht auch ein Atombehälter auf, den kaum ein Experte kennt: Constor X/69. Dass dieser Castor zwar laut Genehmigungsantrag existiert, offenbar aber erst noch entwickelt werden soll, schockiert Raimund Kamm vom Verein „Energiewende atomkraftfreies Schwaben“. „Überprüfbare Sicherheitsberichte gibt es nicht. Wir reden hier aber nicht von der Genehmigung einer Kartoffelhalle, sondern von einem Atommülllager.“ Attenberger kennt gar Gerüchte, nach denen dieser Behälter in Russland hergestellt werden soll. Anfragen beim Behälterhersteller GNB sind erfolglos.

Sehr wohl seien die Behälter getestet, heißt es dagegen im Atomkraftwerk Gundremmingen. Einschränkend dann: Zumindest der dritte Castor-Typ V/52. Doch selbst dessen Tests halten Experten wie der einstige Atombehälterentwickler Elmar Schlich von der Uni Gießen nicht für ausreichend. Karl Ammansberger, Leiter des Präsidialbereichs beim Bundesamt für Strahlenschutz, bestätigt, dass die neuen Behälter tatsächlich noch keine Genehmigung haben. Im Sicherheitsbericht seien drei Behältertypen genannt, für die der Mehrheitseigner RWE die Lagerung beantragt hat. „Ein Behälter davon, der V/52, ist bereits genehmigt. Die beiden anderen befinden sich im Genehmigungsverfahren, besitzen weder eine verkehrsrechtliche noch eine Lagergenehmigung.“ Richtig sei auch, dass an den Standorten Ohu und Grafenrheinfeld weitere unerprobte Castoren, unter anderem vom Typ NAC-GRM und TN 24, beantragt sind.

In aller Stille haben die Antragsteller jetzt reagiert. In einer Antragsergänzung teilten sie dem Bundesamt für Strahlenschutz mit, dass sie zunächst nur den Castor-Tap V/52 einlagern wollen. „Die spekulieren, dass sie später, wenn das öffentliche Interesse erlahmt, ihre Billigbehälter bauen können“, sagt Kamm.

Nicht nur an den Behältern macht sich die Kritik der Atomkraftgegner fest. „Die bisherige Philosophie, nach der es immer ein zweites, unabhängiges Sicherheitssystem gibt, wird in den beantragten Zwischenlagern aufgegeben“, kritisiert Kamm. Physiker Attenberger geht in seiner Kritik noch weiter: „In den Zwischenlagern wird eines Tages das drei- bis zehnfache radioaktive Potenzial eines Reaktors lagern. Ohne Sicherheits-Reservesystem ist das einfach unverantwortlich.“

Akteneinsicht unter www.bfs.de

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