„Das ist doch nur Spielerei“

■ Machen Helge Schneider & Hardcore in richtigem Jazz?

Wenn Helge Schneider auf der Bühne steht, ist mit allem zu rechnen – nur nicht unbedingt mit dem, was das Publikum erwartet. Mit Buddy Casino und Peter Thoms ist die ehemalige „singende Herrentorte vom Niederrhein“ (O-Ton Schneider) jetzt mit einem Jazzprogramm auf Tournee.

taz hamburg: Herr Schneider, auf Ihrer letzten Platte hieß es noch Hefte raus, Klassenarbeit, nun präsentieren Sie sich als Jazzsaxofonist. Wollen Sie damit eine unbekannte Seite zeigen?

Helge Schneider: Nein, wir spielen ja in Konzerten immer mal wieder solche Stücke. Ab und zu mache ich so etwas auch im Studio, das ist dann eher eine spontane Session.

Sie sind mit dem Schlagzeuger Peter Thoms und dem Organisten Buddy Casino schon länger zusammen, was zeichnet die Band aus?

Die Band besteht aus sehr eigenwilligen Personen. Das Verständnis für diese spartanische Musik ist einfach da. Aus so einer kleinen Farfisa-Orgel ist ja eigentlich nicht viel herauszuholen, aber wenn man dann in der Lage ist, auf diesem fast schon lächerlichen Instrument beseelte Musik zu machen, dann ist das schon eine persönliche Herausforderung für Buddy Casino. Auch für den Peter, der ja auch schon ein bisschen älter ist und diese ganze Jazz-Zeit ja auch aktiv mitgemacht hat. Ich möchte gar nicht behaupten, dass dies eine richtige Band ist, selbst wenn wir schon länger mal auf Tournee waren und jetzt noch mal so eine kleine Abschlusstournee machen.

Was kommt danach?

Weiß ich nicht, kann ich nicht sagen, ich wollte mal mit Klaus Doldinger eine Aufnahme machen, ich an der Orgel, er am Saxofon. Aber ich kann mir auch vorstellen, eine Soloplatte zu machen, mit Jazzklavier zum Beispiel.

Das sind ja nur reine Plattenprojekte, ich werde natürlich keine Solokonzerte geben, daran hätte ich überhaupt keinen Spaß. Jazzkonzerte finde ich langweilig, es sei denn, ich schaue mir Sonny Rollins an. Aber sonst ist Jazz doch eine Sache für einen Club mit vier Sets, dabei kann der Gast etwas trinken, das ist Jazz. Aber ein reines Jazzkonzert, womöglich noch auf einem Festival, finde ich furchtbar. Da stehen die Musiker unter einem wahnsinnigen Druck und alles ist so ernst.

Wieviel an Ihren Live-Auftritten entsteht aus der spontanen Situation heraus, wieviel kommt aus einem Fundus?

Das ist wie bei einem Jazzkonzert: Ich habe ein paar Stücke, einen Zettel, auf den ich gelegentlich schaue, sonst habe ich alles im Kopf. Dann geht alles auf Zuruf, oder ich fange an zu singen, dann wissen die anderen schon Bescheid. Das ist dann nicht so improvisiert, ganz klar, die Stücke haben wir mal irgendwann gelernt, aber ansonsten ist der Aufbau und das Drumherum alles schon reine Improvisation oder aus der Improvisation entstanden und dann immer weiter phantasiert, von Show zu Show. Als wir mal zwei Jahre lang nicht zusammen gespielt hatten, haben wir uns zu einer Probe verabredet. Buddy kam extra von Berlin nach Mülheim angereist. Da haben wir eigentlich nur blöd herumgesessen und nach einer Viertelstunde habe ich gesagt, ach kommt, proben ist nix. So sind auch unsere Konzerte, ein bisschen liederlich.

Wenn man sich selber neu erfinden möchte, stellt man sich da nicht unter einen wahnsinnigen Druck?

Ja, aber es gibt schlimmeren Druck. Das ist doch nur Spielerei auf der Bühne, das darf man nicht so ernst nehmen. Das ist auch der einzige Grund, warum ich das überhaupt machen kann, weil ich zwar meine Arbeit als solche sehr ernst nehme, aber mich nicht. Dann könnten die Leute auch nicht lachen. Man darf das nicht so eng sehen.

Stoßen Sie bei den Leuten auf eine große Toleranz?

Das stimmt, aber wenn ich mir so die Anfänge in Erinnerung rufe, da war von Toleranz nichts zu spüren. Das musste ich mir hart erarbeiten, mit viel Energie und vor allem Geduld. Über die Jahre gesehen habe ich mir mein Publikum auch ein bisschen zurechtgebogen. Ich finde, als Künstler hat man die Verpflichtung, die Leute auf die persönliche Freiheit, auf Freiräume in der Kunst hinzuweisen und nicht klaustrophobisch an Altbekanntem hängen zu bleiben. Man lebt den Leuten eine gewisse Offenheit vor, indem man sagt, so, ich mache was ich will und wenn ich dabei auf die Schnauze falle, Hauptsache wir lachen jetzt . Das ist schon eine Weltanschauung, die nicht viele Leute teilen. Interview: Tom Fuchs / Manfred Müller

Sonnabend, 18 Uhr, Stadtpark