Kaum Grün im Rot

Der neue Senat hat seine Regierungsrichtlinien vorgelegt. Die grüne Handschrift darin ist kaum zu erkennen. Senat will „Berlin-Pakt“ mit dem Bund und im öffentlichen Dienst eine Milliarde einsparen

von ROBIN ALEXANDER

Mit einem thematischen Rundumschlag hat der rot-grüne Senat gestern zehn Richtlinien seiner Regierungspolitik vorgestellt. Obwohl er seine Funktion als Übergangsenat bis zu den Neuwahlen im Herbst betont, sind die Ziele deutlich weitergesteckt – und klingen bereits nach Wahlkampf. Auffällig ist, dass Forderungen der Grünen aus Oppositionszeiten etwa in Sachen Innere Sicherheit, Drogen- und Verkehrspolitik kaum in die Richtlinien eingegangen sind. In Sachen Flughafenausbau Schönefeld zum Beispiel hat sich die grüne Skepsis nicht in den Regierungsrichtlinien niedergeschlagen. Andere Aussagen bleiben unkonkrete Absichtserklärungen, wie etwa: „Eine moderne Ausländerpolitik wird zum Markenzeichen für ein weltoffenes und tolerantes Berlin.“

Das Regierungsgremium versteht sich als Übergangssenat: Bis zur Neuwahl ist nach Meinung der Rot-Grünen vor allem notwendig, das durch Banken- und Finanzkrise erschütterte Vertrauen von Bürgern und Wirtschaft in den Senat zurückzugewinnen. Grundlage hierfür sei ein „Mentalitätswechsel“: Probleme dürften nicht weiter ignoriert werden. Berlin habe zu lange allein auf Hilfe von außen gehofft. Doch auch der neue Senat hofft auf Finanzhilfe vom Bund: Rot-Grün setzt auf ein „Berlin-Pakt“, das heißt: gesteigerte eigene Sparbemühungen und ein stärkeres Engagement des Bundes. Konkret soll der Bund „möglichst vollständig“ Einrichtungen mit nationaler Bedeutung übernehmen.

Die erste Aufgabe aber ist die Fortsetzung der Sparpolitik: „Zur Konsolidierungspolitik gibt es keine Alternative.“ In den Monaten bis zur Wahl aber sind noch keine einschneidenden Einsparungen zu erwarten: „Für notwendige strukturelle Maßnahmen benötigt der Senat das Mandat der Wählerinnen und Wähler“. Ausdrücklich hält der Senat am Ziel fest, die Neuverschuldung bis 2009 vollständig abzubauen. Dies ist spätestens mit der Bankenkrise hoch unwahrscheinlich geworden. Am Dienstag hatte sich sogar die neue Finanzsenatorin Christine Krajewski (SPD) skeptisch gegenüber diesem Zeitplan geäußert.

Auch am Ziel einer Fusion von Berlin und Brandenburg im Jahr 2009 wird festgehalten. Ausdrücklich wird betont, dass auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten SFB und ORB langfristig verschmelzen sollen.

Die Bankgesellschaft, über deren Krise die große Koalition platzte, bleibt auch für den neuen Senat ein ungelöstes Problem. Zur Zeit laufen Verhandlungen mit den anderen Eigentümern. Eine „Entflechtung der Bankgesellschaft“, wie sie die Grünen forderten, wird lediglich geprüft. Der Verkauf einzelner Filetstücke, etwa der rentablen Weberbank, ist wieder vom Tisch.

Der neue Senat will die Modernisierung des öffentliches Dienstes vorantreiben. Die Personalkosten sollen um eine Milliarde Mark reduziert werden. Stellen sollen abgebaut werden, allerdings will der Senat durch einen Solidarpakt mit den Gewerkschaften betriebsbedingte Kündigungen verhindern.

Bei Entscheidungen, die bis zu den Neuwahlen im September zwingend anstehen, stehen jedoch keine einschneidendne Sparmaßnahmen an. Die wichtigen Hochschulverträge werden fortgeschrieben, Berlins drei Opernhäuser bleiben erhalten und sollen sich lediglich im nicht-künstlerischen Bereich stärker vernetzen. Der Vertrag des designierten Chefdirigenten der Philamoniker, Simon Rattle, wird unterzeichnet, der von Daniel Barenboim, dem Leiter der Staatsoper verlängert.