Projekte aus dem Grünen Kabinett

Erstmals stellt die Regierung Überlegungen aus dem neu berufenen Green Cabinet vor. Bislang sind es nur vage und wenig verknüpfte Einzelmaßnahmen: Windkraft, Brennstoffzelle, regionale Landwirtschaft und ein bisschen Verkehr

von MATTHIAS URBACH

Der Termin war schlecht besucht. Kaum ein Dutzend Journalisten wollte hören, was der Staatsekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung beschlossen hatte. Dabei war es der erste Auftritt Hans Martin Burys in seiner Rolle als Vorsitzender der mit Umweltfragen befassten Staatssekretäre. Und sie hätten Interessantes erleben können: einen Kanzleramtsminister, der wie ein Grüner spricht.

Denn um dem Begriff „Nachhaltigkeit“ ein wenig Leben einzuhauchen, präsentierte Bury gestern vier ökologische Pilotprojekte in Offshore-Windkraft, Brennstoffzellen, Landwirtschaft und Bahnverkehr, die der Ausschuss, in Anlehnung an das britische Vorbild auch „Green Cabinet“ genannt, am Montag beschlossen hatte.

Im Bahnverkehr soll in zwei regionalen Projekten das Schienennetz auf „Schwachstellen analysiert“ – und nach Lösungen gesucht werden. „Es gibt Defizite in der Vernetzung der Verkehrsträger und beim Angebot in der Fläche“, sagte Bury. Das Verbraucherministerium will einen Wettbewerb der Regionen ausschreiben, um neben der reinen Landwirtschaft auch die vor- und nachgelagerte Wertschöpfung modellhaft wieder in die Regionen zu holen, anstatt das Futtermittel zu importieren und die Tiere in zentralen Großschlachthöfen zu zerlegen. Dies stärke auch das Verbrauchervertrauen.

Bei der Windkraft geht es darum, Flächen auf See auszuweisen und mit 30 Millionen Mark Messplattformen zu installieren, um Wind und Tierwelt zu erforschen. Außerdem soll die mit Wasserstoff gespeiste Brennstoffzelle im Auto und in Wohnungen als dezentrale Energiequelle in Pilotprojekten untersucht werden. Bury: „Ich will, dass das erste Low-Emission-Car in Deutschland in Serie geht.“

Damit nehme nachhaltige Entwicklung in Deutschland Gestalt an, so der Kanzleramtsminister. Ein großes Wort: Denn zur Nachhaltigkeit gehört die Verknüpfung von wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Zielen, wie Bury selbst feststellte. „Man muss aufpassen“, sagte etwa Jochen Flasbarth, der für den Naturschutzbund im Nachhaltigkeitsrat des Kanzleramts sitzt. „Technikverliebtheit reicht nicht, um Nachhaltigkeit zu definieren.“ Man müsse neue Fragen stellen: „Ist es nachhaltig, wenn Arbeiter immer mehr Zeit aufwenden, um zur Arbeit zu kommen?“ Daraus ergäben sich dann Maßnahmen. „So werden wir uns im Rat dem Thema annähern: erst strategische Grundlinien einziehen – und dann über konkrete Projekte reden.“

Immerhin bis Ende September will das Green Cabinet eine Nachhaltigkeitsstrategie vorlegen. Dann soll auch der im April benannte Nachhaltigkeitsrat mit 16 Vertretern aus Industrie, Kirche und Ökoverbänden sein Konzept vorlegen.

Wenig Zeit für so einen umfassenden Politikansatz. Doch bis Anfang nächsten Jahres muss man Konkretes vorweisen können, um auf dem nächsten Umweltgipfel in Johannisburg nicht mit leeren Händen dazustehen. Deshalb wird das Green Cabinet allenfalls ein ganz grobes Konzept vorlegen können.

Die Gefahr ist groß, dass die Nachhaltigkeitsstrategie zu einer reinen PR-Aktion verkommt, die bloß Einzelprojekte zusammenträgt. Vor allem in der grünen Fraktion ist man skeptisch. Man fürchtet, dass das Kanzleramt das Gremium bloß nutzt, um auch mal mit Umweltthemen glänzen zu können. Auch in den Ministerien sieht man die Profilierungschance. Umweltminister Jürgen Trittin hatte schon vorab die Offshore-Windkraft massiv selbst präsentiert. Bei der gestrigen Pressekonferenz wollten auch mehrere Staatssekretäre dabei sein. Am Ende kam nur Bury. MATTHIAS URBACH