Kanzleramt krankt an Strategie

CDU: Gesundheitsministerin steht im Regen. Koch und Teufel klagen gegen Risikostrukturausgleich. Kanzleramt dementiert Pläne für ein neues System mit Wahl- und Pflichtleistungen. Doch auch die SPD-Fraktion scheint der Regierung nicht zu trauen

von STEPHANIE VON OPPEN

Die Opposition reagierte sofort. Kaum hatte das Bundeskabinett gestern den Risikostrukturausgleich (RSA) bei den Krankenkassen durchgewunken, kündigten die CDU-Ministerpräsidenten von Hessen und Baden-Württemberg, Roland Koch und Erwin Teufel, auch schon an, vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen den RSA zu klagen. Dieser sieht unter anderem vor, Wettbewerbsnachteile einzelner Kassen auszugleichen. Teufel und Koch machen die hohen Zahlungen an andere Bundesländer dafür verantwortlich, dass die AOK Baden-Württemberg und die AOK Hessen ihre Beiträge erhöht haben.

Für große Aufregung sorgten gestern auch die angeblichen Pläne der Bundesregierung, eine Grundsicherung des Gesundheitswesen einzuführen. Die Süddeutsche Zeitung hatte von einem Strategiepapier aus dem Kanzleramt berichtet, das ein System von Wahl- und Pflichtleistungen entwickle. Das Kanzleramt dementierte. Auch SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck und die Grünen-Politikerin Kathrin Göring-Eckhardt sagten, ein solches Vorhaben sei ihnen nicht bekannt. Struck betonte, die Bundesregierung wolle kein Zwei-Klassen-System bei der medizinischen Versorgung.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Wilhelm Schmidt, dagegen schloss die mögliche Existenz eines Strategiepapiers nicht rundweg aus: „Ich habe große Bedenken, ob das, was angeblich im Papier des Kanzleramtes steht, die Fraktion mitmachen würde.“ Dass es offensichtlich Differenzen zwischen dem Kanzleramt und der SPD-Fraktion gibt, ist Wasser auf die Mühlen der Opposition. Sie nahm die Diskussionen um das Strategiepapier nochmals zum Anlass, scharfe Kritik an der Regierung zu üben.

CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer geht davon aus, dass das Papier vom Kanzleramt bewusst gestreut wurde. Dies mache deutlich, dass es in der SPD keine Grundüberzeugung mehr gebe: „Die Pläne demonstrieren das Misstrauen des Kanzlers gegenüber der Gesundheitsministerin. Jetzt ist Frau Schmidt vom Kanzleramt endgültig fachlich in den Regen gestellt.“

Probleme hat Schmidt nun auch noch an einer anderen Front. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) lehnt den Gesetzesentwurf zur Einführung eines neuen Abrechnungssystems in Krankenhäusern in weiten Teilen ab. Der noch unter der Federführung von Andrea Fischer (Grüne) erstellte Entwurf sieht vor, dass sämtliche Krankenhausleistungen über Fallpauschalen und nicht mehr wie bisher über unter anderem über Tagessätze abgerechnet werden soll. Das neue Abrechnungssystem soll nach dem Willen des Gesundheitsministeriums vom 1. 1. 2003 an gelten. Die DKG hingegen hält diesen Zeitplan für unrealistisch und plädiert für Übergangsregelungen. Der Präsident des DKG, Volker Odenbach, sprach sich gestern für die Einführung des neuen Systems zum 1. 1 .2004 aus. Auch an anderen Punkten müsse der Entwurf überarbeitet werden, sagte Odenbach. So könne man nicht sämtliche Leistungen in Pauschalen pressen. Es müsse Spielräume geben.

Unverständnis äußerte Odenbach darüber, dass das Gesundheitsministerium bisher nicht bereit sei, sich auf Kompromisse einzulassen. Auf dem Hintergrund der derzeitigen Turbulenzen scheue sich die Ministerin offensichtlich davor, „eine neue Baustelle aufzumachen“.