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: Auf der Suche nach der wahren Dekadenz

Ick koof bei Lafayette!

Jetzt bin ich schon so alt, erfahren und weise, habe vieles gesehen und noch mehr genossen. Und trotzdem kann mich die Vorstellung, dass im obersten Stockwerk des KaDeWe, irgendwo in einem versteckten, marmornen, mit plätschernden Springbrunnen geschmückten Privatraum dekadente Champagnerflussparties abgehalten werden, immer noch faszinieren.

Dabei weiß ich sogar aus Erfahrung, wie das aussieht: Genau wie in der Galerie Lafayette natürlich, auf deren Party-Einladungsliste mich Fortuna neulich gesetzt hat, als sie sich mit ihrem Nachthemd in der Antenne auf meinem Haus verhedderte. Bei jener dekadenten Lafayette-Champagnerflussparty trug ich stolz meinen neuen „Ick koof bei Lafayette!“-Stoffbeutel (im „Ick koof bei Lehmann!“-Schriftzug), ein Geburtstagsgeschenk. Aber der konnte natürlich nicht gegen die tampongroßen Handtaschen der echten Modesklavinnen anstinken: magere, braungebrannte Ende-40-Frauen mit Haarhelmen und schwarzen Sonnenbrillen, die ihr Klappergestell in elegante Designerfummel gehüllt hatten und mit ausufernden Modelschritten das Lafayetterondell entlangpromenierten. Im Gefolge: drei blutjunge, glutäugige, bestimmt gekaufte Lustknaben. Zusammen ungefähr halb so alt. Hot!!

Genau so wird es auch bei den geheimen KaDeWe-Parties zugehen oder bei den privaten Debis-Manager-Festen in den nicht auf dem Fahrstuhldisplay angegebenen Stockwerken, oder bei irgend so einem kokssüchtigen, entarteten Imperiumserben, dessen Eltern eine Villa im Grunewald haben, aber ständig in ihrem Wochenendhaus an der Côte d’Azur sind. Zum Beispiel dem Paech-Brot-Erben. (Schaue gleich mal im Internet nach, ob die Paech-Brot-Dynastie einen Sohn im kokssuchtfähigen Alter hat und wo genau deren Grunewald-Residenz steht.)

Dort, im Debis-Dach-Loft, hüpfen weiß gekleidete Menschen überkandidelt lachend in riesige Whirlpools, alle zwei Stunden muss eine zarte Jungfrau wegen einer Überdosis rausgetragen werden, Mediendesignerdrogen und Designerdrogen schaufelt man mit künstlichen, goldenen Fingernägeln aus einem Elfenbeinpott oder konsumiert sie direkt vom glatten Körper der blutjungen . . . ich glaube, meine Phantasie geht durch.

Aber wer weiß. Vielleicht werde ich, wenn ich doch nochmal zu einer KaDeWe-Party eingeladen werde, auch furchtbar überrascht sein. Weil dort oben, über den Dächern von Berlin, zwischen den 100g/6,99DM-Salatbars und den Schultheiß-Kühlschränken bei einem geheimen Empfang auch niemand wirklich Dekadentes hinter den Champagnertabletts hermarschiert. Sondern nur all die anderen Menschen, die wider besseres Wissen diesen altmodischen, auf Filme wie „How to marry a millionaire“ beruhenden Dekadenzbegriff haben. Wahrscheinlich stellt sich die braun gebrannte Designerfummelfrau als freundlich-spießige Wilmersdorfer Schulrektorin in einem geborgten Kleid heraus, und die Lustknabenbrigade ist weder gemietet noch getestet, sondern besteht aus drei netten Austauschreferendaren aus dem Baskenland.

Wahrscheinlich unterhalte ich mich sogar eine Weile mit einem gemütlich wirkenden, fülligen Anzugträger, den seine Freundin Schnuppi nennt, und irgendwann tauschen wir aus einem marginalen Anlass Visitenkarten aus. Und was steht da auf seiner Karte? Gleich über der Weddinger Adresse? „Peter Paech junior“. Tja. JENNI ZYLKA