Abschiebung statt Homo-Ehe

Niemals mehr zurück ins Doppelleben, hat sich Hasan A. vorgenommen. Er kommt aus dem Kosovo und lebt in Marzahn bei seinem deutschen Freund. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, jetzt soll er ausgewiesen werden. Sein Rechtsanwalt hat noch einmal eine kurze Gnadenfrist herausgeschlagen

von HEIKE KLEFFNER

Eine Schrankwand in Kiefernbeige, eine Couch mit Sonnenblumenkissen, zwei Männer, die Händchen haltend aus dem 18. Stock eines Wohnzimmerfensters in Marzahn den Blick über die sonnig strahlenden Silhoutten der Plattenbauten genießen. Ein ganz normales schwules Pärchen, wenn nicht der Couchtisch unter einem Stapel von Behördenbriefen verschwinden würde. Und der Ältere mit den feinen Furchen auf der Stirn nicht bei jedem Läuten des Telefons hektisch aufspringen würde, während der Jüngere neben ihm raucht und den schmalen Bronzering an seiner rechten Hand dreht. Wieder und wieder.

Seit einem Jahr leben Hasan A. und Rainer P. in der Einzimmerwohnung mit Plastikblumen und Aquarium. Ein Paar sind sie schon länger, betonen beide. Wenn es nach den Ausländerbehörden gehen würde, wäre ihre Beziehung heute beendet. Hasan A. würde im Flugzeug gen Kosovo sitzen und der „Ausreiseaufforderung zum 29. Juni“ nachkommen, die ihm der Beamte in der letzten Woche formlos überreichte. Vor wenigen Tagen konnte der Rechtsanwalt des 27-jährigen kosovo-albanischen Asylbewerbers noch einmal eine Gnadenfrist herausschlagen. Seitdem telefoniert Rainer P. ununterbrochen: mit den Behörden, dem Petitionsausschuss, mit Journalisten und Politikern.

„Warum sollen wir nicht auch eine Chance haben, wie alle anderen zu leben,“ sagt der 53-Jährige. Die Frage ist rhetorisch, finden die Behörden und verweisen auf die Aktenlage: Kurze Zeit nachdem Hasan A. 1994 vor der serbischen Armee aus dem Kosovo nach Deutschland floh und Asyl in Niedersachsen beantragt hatte, wurde er straffällig. Befreundete Albaner hatten dem damals 20-Jährigen das große Geld in Berlin versprochen. „Ich schwebte wie auf Flügeln“, sagt er rückblickend. Der Absturz kam, als Hasan A. wegen bewaffneten Raubüberfalls zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Wenn Hasan A. darüber spricht, redet er in fast akzentfreiem Deutsch von dem „Unfall“ und davon, dass er lediglich an der Tür des Juweliergeschäfts gestanden habe, während seine Bekannten zuschlugen.

„Ich dachte, mein Leben ist zu Ende, als ich im Knast ankam“, erzählt er über die ersten Monate in der JVA Tegel. Das änderte sich erst, als er in der Küche des Knastes Rainer P. aus Pankow kennen lernte. Der hatte fast die Hälfte seines Lebens – zunächst wegen „staatsfeindlicher Umtriebe“ und dann wegen Körperverletzungsdelikten – hinter Gittern verbracht. Er sei „auf den ersten Blick verliebt“ gewesen, lächelt Rainer P. Für das Paar begann ein schwieriges Doppelleben. Während Rainer P. seit „1968 offen schwul gelebt und als Artist auch zu DDR-Zeiten keine Nachteile erfahren hat“, wollte Hasan A. aus Angst vor möglichen Repressalien seiner Mitgefangenen die Beziehung auf keinen Fall offen leben. Das änderte sich erst nach der Haftentlassung. Als Erster hatte Hasan A. seine Strafe im Frühjahr 1999 abgesessen und kehrte in sein Asylbewerberheim im Landkreis Harburg zurück. Rainer P. wurde ein halbes Jahr später entlassen. Eine ungewisse Zeit für beide, die erst endete, als Hasan A. die neue Adresse seines Liebhabers herausfand. „Seit Sommer letzten Jahres sind wir wieder ein Paar.“

Ein Paar, das gegen Ausländergesetze und Vorurteile ankämpft. Denn nach dem Asylverfahrensgesetz muss Hasan A. im Landkreis Harburg leben. Den darf er nur mit einem „Urlaubsschein“ verlassen. Zunächst schienen die Behörden auch ganz wohlgesonnen, doch als Hasan A. seine Umverteilung nach Berlin beantragte, um mit offiziellem Segen bei Rainer P. leben zu können, begannen die Schwierigkeiten. Die Urlaubsscheine für Berlin wurden auf jeweils sieben Tage begrenzt, dann musste Hasan A. wieder den Bus zurück nehmen. Das kostet Geld, das die beiden nicht haben. Als Asylbewerber bekommt Hasan A. 80 Mark Bargeld monatlich, arbeiten darf er nicht. Rainer P. lebt von Sozialhilfe.

Vor zwei Wochen kam dann die Ausreiseaufforderung und setzte allen Träumen ein jähes Ende. Seitdem redet Hasan A. täglich davon, dass er die Diskriminierung im Kosovo als Homosexueller nicht aushalten könne. „Ich will kein Doppelleben mehr in einer Gesellschaft, die mich nicht akzeptiert.“

Aufgeben wollen weder Rainer P. noch Hasan A. Sie hoffen – auf die Einführung der Homo-Ehe, die eine Ausweisung schwieriger machen würde. Und auf die Menschlichkeit der Beamten, die ihren Ermessensspielraum zugunsten von Hasan A. ausüben könnten.