SPD im Amt, CDU in Peking

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit kündigt in seiner ersten Regierungserklärung einen Mentalitätswechsel an. Der CDU fällt darauf nur die stupide wiederholte Antwort ein: „Mit der PDS!“

von ROBIN ALEXANDER

Lautstärke verhält sich in Demokratien oft umgekehrt proportional zur politischen Macht. Wer diese Erkenntnis für dröge hält, der hat die gestrige Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses verpasst. Der neue Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit stellte die Vorhaben seines Senats vor. Für Stimmung im Saal sorgte die CDU-Fraktion.

Eigentlich ist eine Regierungserklärung nicht unbedingt einfach für einen Senat, der in dieser Zusammensetzung nur bis zu den Neuwahlen im Herbst amtiert. Dicke Bretter bohrt man in solch kurzer Frist nicht. Klaus Wowereit flüchtet sich ins Psychologische: „Wir brauchen einen Mentalitätswechsel.“ Dieses Thema variert der Regierende in seiner 40-minütigen Rede: Mal heißt es, Berlin müsse sich „von der Versorgungsmentalität der Vergangenheit verabschieden“, später, „wir müssen Berlin von den Fesseln des alten Denkens, der alten Alimentierungs-Mentalität und der alten politischen Provinzialität befreien“. Sogar den Klassiker unter den Aufbruch-Appellen bemüht Wowereit: „Es muss ein Ruck gehen durch diese Stadt!“

Aber egal ob Wowereit an diesem Nachmittag Roman Herzog, Alfred Döblin oder Alexander Kluge zitiert. Der Regierende hätte auch Franz Beckenbauer, Helmut Kohl oder Johannes Paul II. selbst in den Zeugenstand für seine Politik rufen können. Die CDU quittiert jedes Zitat, jede Absichtserklärung, jede schlichte Feststellung mit dem Zwischenruf: „Mit der PDS! Mit der PDS!“ Zwischenrufe sind das schon nicht mehr, was vor allem die Herren ab der dritten Bank im Oppositionsblock produzieren: ein Dauergejohle und Schenkelgeklopfe. Die von Anfang an vorhandene Erregung steigert sich kontinuierlich. Bis Wowereit in den tobenden Saal ruft: „Wer Berlin in alte Spaltungen zwischen Ost und West hineintreiben will, wer alte Feindbilder mobilisiert, um von eigenen Versäumnissen abzulenken, der führt Berlin in die Vergangenheit und nicht in die Zukunft.“ Da klang der ewige Antwortruf „Mit der PDS!“ nur noch wie das Jaulen getroffener Hunde.

Angesichts scharfen Gegenwinds scheint der eigentlich mittelmäßige Redner Wowereit zu wachsen. Selbst Unterbrechungen seines Vortrags pariert er gelassen: „Ich stocke hier nur, weil ich sehe, was als nächstes auf meinem Manuskript steht – und ich sage das bewusst in Richtung CDU: ,Die intellektuellen Ressourcen sind es, die die Attraktivität der Stadt ausmachen.‘ “

Rechts vorn im CDU-Block sitzt Frank Steffel, der Fraktionschef. Er schreit nicht herum. Der Spitzenkandidat der Union redigiert sein eigenes Redemanuskript. Wird er Wowereit stellen? Wird er ihn fragen, was denn konkret gemeint ist mit Floskeln wie „Verwaltungsrevolution“ oder dem „Leitbild der sozialen Stadt“? Steffel ist jetzt Oppositionsführer, er müsste nachhaken, was Wowereit und sein Senat meinen, wenn sie in der Regierungserklärung schreiben: „Wir sollten nicht mehr ‚Toleranz‘ sagen, wo wir ‚Integration‘ brauchen.“

Aber nichts da. Eine echte inhaltliche Auseinandersetzung mit der neuen rot-grünen Regierung nimmt Steffel nicht vor. Seine Rede beginnt er mit einem uralten Witz: „Herr Wowereit, Sie haben es geschafft, gleichzeitig zwei Regierungserklärungen auf einmal zu verlesen: Ihre erste und Ihre letzte!“ Das mag ja sein. Aber was hält die CDU denn nun vom „Berlin-Pakt“, den der neue Senat mit der Bundesregierung schließen will? Was meint Sie zum Wowereitschen Mentalitätswechsel? Hat die Union den Berlinern wirklich nicht mehr mitzuteilen als ihre Sorge, „dass Berlin nach Peking und Havanna die dritte Millionenstadt unter kommunistischem Einfluss wird“?