„Wir laufen da in eine Falle“

Karl Lamers, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warnt vor der Beteiligung der Bundeswehr an einem möglichen Nato-Einsatz in Makedonien. Er vermisst ein politisches Konzept für den gesamten Balkan

taz: Der Kanzler fordert, bei einem möglichen Nato-Einsatz in Makedonien dürfe Deutschland nicht abseits stehen. Sieht das die Union auch so?

Karl Lamers: Nein, wir sehen das anders. Mal abgesehen davon, dass die Frage im Moment nur sehr hypothetisch ist, ob sich Deutschland an einem Nato-Einsatz beteiligt. Die Voraussetzung für eine solche Operation wäre ja ein Waffenstillstand zwischen den makedonischen Sicherheitskräften und den albanischen Rebellen, und der wird von Tag zu Tag unwahrscheinlicher. Das zeigt doch nur, dass die Tragfähigkeit einer solchen Vereinbarung, wenn sie denn zustande gekommen wäre, nicht ausgereicht hätte.

Sie halten also das ganze Vorhaben für blauäugig?

Niemand glaubt doch ernsthaft, die Nato könne in Makedonien in einem 30-Tage-Einsatz friedlich die Waffen einsammeln und wieder abziehen. Das Risiko ist groß, in eine Falle zu laufen. Die Konfliktparteien haben konträre Erwartungen an die Nato: Während die Albaner eine dauerhafte Stationierung der Nato anstreben, wünscht sich die makedonische Regierung eine schnelle Hilfe bei der Entwaffnung und dann den Abzug.

Welche Folgen hat das für die Nato?

Wir würden in Makedonien zwischen die Fronten geraten. Der Einsatz würde viel länger dauern und ganz anders als geplant ablaufen. Darauf ist die Nato gar nicht vorbereitet.

Wieso nicht?

Es gibt ja nicht mal eine „Exit-Strategie“, also einen Plan, wie man aus Makedonien wieder herauskommt. Das darf man nicht mit einem militärischen Abzugstermin verwechseln. Das ist eine politische Frage.

Wie würde sich die Union bei einer Abstimmung im Bundestag über den Einsatz deutscher Soldaten verhalten?

Wir würden einem solchen Einsatz nicht zustimmen. Die Regierung hat ja selbst erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Engagements. Auch in Frankreich und Großbritannien sinkt die Bereitschaft, militärisch einzugreifen. Vielleicht führt das ja zu einer Ernüchterung.

Mal abgesehen von dem geplanten 30-Tage-Einsatz – muss die Nato bei einer Verschärfung der Lage in Makedonien früher oder später nicht sowieso militärisch intervenieren?

Solange wir keine realistischen Vorstellungen von einer politischen Lösung haben, die über Makedonien hinausgeht, bevor wir kein Gesamtkonzept für den Balkan haben, bin ich gegen einen weiteren militärischen Einsatz. Ich bedaure, dass man nicht massiver politische Diplomatie betreibt. Stattdessen erleben wir eine schleichende Militarisierung der Außenpolitik.

Ihr Parteikollege Volker Rühe begründet seine Ablehnung eines Militäreinsatzes mit dem katastrophalen Zustand der Bundeswehr. Bewerten Sie das auch so?

Mit jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr stellt sich verstärkt die Frage der Unterfinanzierung unserer Streitkräfte. Aber selbst wenn die Bundeswehr besser ausgerüstet wäre, muss die politische Sinnhaftigkeit eines Einsatzes gegeben sein.

Der Kanzler nennt die außenpolitischen Vorstellungen der Union abenteuerlich. Steht jetzt nur noch Schröder für die von Kohl einst so beschworene Bündnistreue – und nicht mehr CDU und CSU?

Das ist Quatsch. Ich verstehe ja, dass der Bundeskanzler uns das vorwirft; gegenüber den USA erhebt er den Vorwurf im übrigen nicht. Schröder sollte lieber darauf achten, dass er innerhalb der Nato und der Europäischen Union nicht irgendwelche Maßnahmen trifft, sondern die richtigen.

INTERVIEW: JENS KÖNIG